Meine Zuneigung zu Hunden ist ziemlich grenzenlos, nur manchmal komme ich dann doch an die Grenzen meiner körperlichen Möglichkeiten.
Meine gar nicht so furchtbar geheime Mission ist es ja, den beiden kaukasischen Owtscharkas Pridón und Néstani, die hier auf dem polnischen Gut als Herdenschutzhunde die Schafe treiben und vor Wölfen schützen sollen, ein strukturierteres und etwas schöneres Leben zu verschaffen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Polen lieben ihre Hunde. Kein Garten, in dem nicht mindestens ein kleiner, bestens gelaunter spitzgedackelter Purzelmischling sitzt, die Hunde spazieren fröhlich durch die Dörfer, jeder Spaziergänger hat mindestens einen Hund dabei, in den Städten sieht man viele Cocker Spaniel, Labradore und zahllose Mischlinge freundlich wedelnd an der Leine (und übrigens sieht man nie Hunde, die an der Leine zerren oder andere Hunde von Weitem angrölen). Selbst die Zwinger- und die Kettenhunde werden mittags spazierengeführt (die Polen gehen unglaublich viel spazieren: Nach dem Mittagessen sind alle Dorfbewohner auf den Beinen, und auch die teilweise wirklich sehr weiten Entfernungen zwischen den Dörfern werden in Ermangelung von Autos entweder per Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt). Die Polen sind gut zu ihren Hunden.
Das Problem ist, dass sich niemand so richtig für diese beiden Owtscharkas zuständig fühlt. Als ich im Februar zuletzt hier war, fiel mir auf, dass die – eindeutig nicht mehr ganz junge – Hündin eine chronische Augenentzündung und abgebrochene Zähne hatte, weshalb sie nur das nötigste ihres Trockenfutters fraß (die beiden 24jährigen Schäfer hatten allerdings selber nur noch ungefähr die Hälfte ihrer angeborenen Zähne im Mund – wie soll ich ihnen also beibringen, dass Zahnhygiene beim Hund eine notwendige Angelegenheit ist?). Außerdem wollte sie nicht laufen, sondern legte sich nach der kleinsten Runde rund um ihren Zwinger gleich in den Schnee. Also redete ich mit Engelszungen auf den (Kuh-)Herdenmanager ein, der den Hund schließlich in die Tierklinik nach Orneta fuhr. Bei – 18 Grad musste er auf der 70 Kilometer-Strecke wohl die gesamte Zeit den Kopf aus dem Fenster halten, weil der ca. zehnjährige Hund natürlich noch nie in seinem Leben gebadet oder gebürstet worden war, aber immer zwischen Schafen gelebt hatte: Der Gestank muss eindrucksvoll gewesen sein. Jedenfalls stelte sich heraus, dass die Hündin ziemlich vergammelte und vor allem: lauter abgebrochene Zähne hatte, so dass die Nerven frei lagen: Sie muss viehische Schmerzen gehabt haben. Außerdem hat sie ziemlich massive Hüftgelenksdysplasie, was bei einem Hund diesen Alters und dieses Gewichts keine furchtbare Überraschung, aber denoch sehr schmerzhaft ist. Also bekam sie Antibiotika und Schmerzmittel – aber leider nur so lange, wie die Packung reichte.
Wenn ich etwas gut kann, dann ist das Druckmachen. Nicht immer schön, aber in vielen Dingen sehr nützlich. Also habe ich jetzt dafür gesorgt, dass der Tierarzt noch einmal kam, der Hündin erneut Antibiotika und Schmerzmittel verpasst hat – nun bekommt sie einmal am Tag Antibiotika und zweimal täglich Rimadyl, bis es nicht mehr so heiß ist und man ihre Zähne unter Narkose richtig behandeln kann. Außerdem wird ihr Zwinger jeden Tag aufgemacht, denn sie erstens bewegt sie sich nicht vom Schafstall weg, und zweitens kann sie aufgrund der Hüftproblematik sowieso nicht weit.
Und außerdem bekommen die Hunde einen neuen Zwinger. Ich habe zusammen mit dem Gutsbesitzer eine schöne Wiese ausgesucht von ca. 600 qm, die nun eingezäunt wird. Denn: Es wird immer schwieriger, mit Pridón spazieren zu gehen. Dummerweise hat er gelernt, dass alle rückwärts gehen, wenn er knurrt, was bei einem Hund von seiner Größe ja auch wirklich sehr beeindruckend ist. Das bedeutet, dass es nach jedem Spaziergang sehr schwierig wird, ihn wieder in seinen Zwinger zurück zu befördern – aber er kann einfach nicht frei herumlaufen, weil er durchs Dorf rennt und sich viele Leute schlicht vor ihm fürchten. Er ist leider auch völlig unkorrumpierbar – nicht einmal ein saftiger Kalbsknochen, mit dem ich vor seiner Nase herumgewedelt habe, konnte ihn dazu bewegen, in seinen Zwinger zu gehen: Er tauscht nicht Freiheit gegen Bestechung („Ein echter Georgier“, grinste ein georgischer Mitarbeiter, dem ich das erzählte). Vor ein paar Tagen hatte ich eine echte Auseinandersetzung mit Pridón vor seinem Zwinger, als er sich partout nicht einsperren lassen wollte (wer will es ihm verdenken – andererseits waren wir zwei Stunden lang spazieren…), und mir abhaute. Als ich ihn vor dem Gutshaus wiedertraf, knurrte er mich an. Ich legte ihm wie häufig vorher Luises Leine um den gewaltigen Kopf und Hals, worauf er an mir hochsprang (er ist im Stehen deutlich größer als ich mit 1,80m) und mir sehr laut ins Ohr knurrte.
Ich habe mich wirklich sehr, sehr erschrocken, und ich bin eigentlich kein Schwächling. Aber wie soll ich mich gegen einen Hund durchsetzen, der längst verstanden hat, dass er sehr groß und stark ist und Leute zum Fürchten bringen kann?
Jetzt haben wir jemanden gefunden, der ausschließlich für die beiden Hunde zuständig ist: Eine ältere Frau, die gegenüber vom Gut wohnt und selbst vier oder fünf Hunde hat – und auch nur einen einzigen Zahn im Mund. Sie wird nun für die Hundepflege gut bezahlt und war auch dabei, als ich mit dem Tierarzt sprach. Sie hat sich nun bereit erklärt, für Nestáni Matschebrei aus Fleisch, Nudeln und püriertem (Bio-)Gemüse zu kochen. Luise, Gretel, Harry und Fritz standen leuchtend, durchtrainiert und glänzend dabei, weshalb sie das Gefühl bekam, ich wüsste möglicherweise ungefähr, was Sache ist.
Also wird jetzt alles gut. Puh.
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Wie kam der Hund zurück in den Zwinger?
Wieso hat er Sie angesprungen, ist das ein typisches Verhalten?
Knurren gefolgt von Abschnappen hätte ich eher erwartet.
In jeden Fall ziehe ich meinen Hut und bewundere Ihren Mut!!!
LG Idusch
Ich glaube, er hat mich angesprungen, weil er irgendwann gelernt hat, dass dieses Verhalten – „Sich groß Machen“, eine echte Dominanzgeste – ihm dazu verhilft, in Ruhe gelassen zu werden. Er knurrt mittlerweile immer, wenn man etwas von ihm will, was er nicht will, und die meisten Leute lassen sich nicht mit einem so großen, starken Hund nicht auf eine Diskussion ein. Bei meinen eigenen Hunden würde ich sie in so einem Moment mit dem Finger zwischen die Rippen pieken und fragen, ob sie noch ganz richtig ticken – aber so gut kenne ich Pridón ja nicht, und die Vorstellung, dass er mich ins Gesicht beißen könnte, fand ich wenig verlockend. Ich bin zurückgesprungen, habe (wahrscheinlich mit dünnerem Stimmchen, als ich hoffte) streng „Pridón, laß‘ das!“ gesagt, aber ihn nicht angeguckt dabei. Und bin dann trotzdem mit ihm zum Zwinger marschiert – Luises Leine hatte er ja noch umgeschlungen – und habe ihn, sein neuerliches Knurren ignorierend, in den Zwinger bugsiert.
Aber ich gebe zu, dass es meine Lust, ihn auf unsere Spaziergänge mitzunehmen, etwas geschmälert hat. Und ich weiß gar nicht, ob es Mut ist – ich habe so eine blöde Vorstellung davon, wie man mit Hunden umgehen sollte, und will das in meinem direkten Umfeld auch erfüllt sehen. Aber ich gebe zu, dass ich eine Stunde nach diesem Vorfall vor Schreck ziemlich geheult habe. Vielleicht war ich auch nur beleidigt, dass Pridón mein Angebot einfach nicht annehmen wollte, weil ich wohl glaube, Hunde fallen allesamt in Ohnmacht vor Glück, wenn sie mich kennen lernen. (Bei Männern bin ich bescheidener).
Finde ich wirklich sehr gut reagiert, ihn nicht anzusehen und dabei in Ruhe darauf zu bestehen, dass getan wird, was getan werden muss.
Weinen finde ich ebenfalls perfekt …. das löst die Anspannung nach dem Schock ;-))
Im Zweifelsfall fallen ja fast alle Hunde in Ohnmacht vor Glück …. sie werden einfach nicht richtig gelesen … Männern geht es ja zuweilen ebenso, grins!
Vielen Dank für diese informative Seite!
Die Lektüre Ihrer liebenswerten Geschichten aus Polen, macht mir große Lust endlich mal wieder nach Masuren zu fahren, eine wunderschöne Gegend, freundliche Menschen. In einem möchte ich Ihnen allerdings widersprechen, viele Kettenhunde in Polen führen ein ganz erbärmliches Leben. Die Tierschutzorganisation pro animale baut Zwinger für polnische Kettenhunde, eine gute und unterstützungswürdige Aktion, wie ich finde.
Ob Sie es glauben, oder nicht…..
ich hatte große Sorge, dass eine solche Situation passiert.
Als Kind war ich mit einem Deutsch-Kurzhaar in ähnlicher Situation – ich hatte dann nie mehr den Mu,t ihn aus dem Zwinger zu nehmen – leider.
Natürlich möchte man diesem Hund unbedingt helfen, aber das Risiko muss kalkulierbar bleiben.
Viel Glück!