Der Frühling ist endlich fühlbar da – morgens hört man auf dem großen Feld hinter dem Haus die Kraniche rufen, laut und voller Verzweiflung – sie erinnern mich immer ein bißchen an den verrückten Onkel aus Fellinis „Amacord“, der in den Baum klettert und von dort immer laut ruft: „Ich will eine Frau! Ich will eine Frau!“ – so ähnlich scheint es den jungen Kranich-Herren auch zu gehen. Obwohl es so trocken ist, riecht man die Erde, die arbeitet (und erst recht an den Stellen, die die Wildschweine aufgewühlt haben in der Hoffnung, irgendwelche Käfer, Würmer oder jungen Wurzeln zu finden), und heute früh habe ich die ersten Kätzchen an den Zweigen entdeckt. Die Hunde sind außer Rand und Band, weil Setzzeit ist und die Rehe im Hormonrausch viel zu nahe heran kommen: „Hallo, wie geht’s, seid ihr zufällig ein Rehbock? Hm, nee, sieht nicht so aus, dann muss ich wohl woanders schauen“ – und tapern wie in Trance wieder von dannen), weshalb Luise momentan mit einer 15-Meter-Schleppleine etwas gebremst wird. Im Zuge des Anti-Jagd-Ablenkungstrainings werfe ich Bälle (einen für Ida, einen ganz anderen für Fritz), lege Fährten und veranstalte lustige Suchspiele – in meinem nächsten Leben werde ich mich als Animator beim Club Robinson bewerben: Nach so vielen Jahren Hunde-Motivations-Programm bin ich mittlerweile unschlagbar. Es ist so unglaublich schön, morgens an den beiden Moorseen zu stehen, in deren Schilf Gänse und Blesshühner brüten, ansonsten ist es ganz still (falls nicht einer meiner Hunde versehentlich in den See hineinfällt: Gestern Harry, heute Luise). Im Winter ist der See ein wundervoller Schlittschuhsee, im Frühjahr lassen manche Leute ihre ausgesprochen dicken Golden Retriever nach Bällen hineinplumpsen („Der ist nicht dick, das ist alles nur Fell!“), im Sommer sind die Seen dann so dicht zu gewachsen, dass die vielen Enten und Teichhühner vollkommen ihre Ruhe haben.
Auf dem Rückweg trafen wir ein paar andere Hundespaziergänger mit einem Labrador, zwei Staffordshire Terrier und einem Münsterländermischling, und schließlich kam eine Dame auf einem Fahrad mit einer Collie-Briard-Mischlingshündin, die sie in einiger Entfernung ablegte und am Zaun festband, während sie zu unserer Gruppe stieß, um sich kurz zu unterhalten (Hundespaziergänge sind schließlich auch Sozialkontaktmittel für Menschen). „Jaja, die Hündin haßt meine Hündin, schon vom ersten Tag an, die beißen sich sofort“, sagte der Besitzer der Labradorhündin ganz entspannt. Wie schön – und ungewöhnlich! -, dass die Hundebesitzer dieser Tatsache einfach hinnahmen und keine erweiterte Todfeindschaft daraus machten, wie man das oft erlebt: Da werden die Abneigungen der Hunde untereinander sofort auf die dazugehörigen Menschen projeziert.
Wir stapften dann ganz entspannt nach Hause, durch die laue Luft, die Vögel sangen, als müsse ihnen gleich die Brust zerspringen, und eigentlich wollte ich überhaupt nicht nach Hause, an meinen Schreibtisch.