Denn sie wissen nicht, was sie tun

bildvom 1.Mai 2012

Der Moment, in dem man sich wirklich überlegt, ob man seinen Hund nicht umtauschen könnte – gegen ein Aquarium z.B. -, ist gewöhnlich der Augenblick, wenn die Pubertät einsetzt. Man sieht seinem bis dato hinreißenden, wohlerzogenen, freundlichen Hündchen hilflos dabei zu, wie es sich in einen Höllenhund mit Tomaten auf den Ohren verwandelt, einen vierbeinigen Wirbelsturm, der sich an nichts mehr zu erinnern vermag, was man ihm in den letzten acht, neun, zehn Monaten mühsam bei gebracht hat. „Sitz?“ grölt er vor Lachen, wenn man ihn darauf anspricht, „ich soll SITZ machen? Du hast ja irre Ideen! Wie unglaublich lustig ist das denn?“, um dann taumelnd vor Heiterkeit irgendetwas zu tun, was mit dem Sitz-Kommando absolut ü-ber-haupt nichts zu tun hat, wie sich direkt vor einen Radfahrer zu stellen oder in einem vor Wochen verstorbenen Döner niederzulassen. Kinderpsychologen erklären einem, bei menschlichen Teenagern sei die Pubertät der normale Ablöseprozeß von den Eltern und die Suche nach der eigenen Identität. Aber bei Hunden? Mein Hund Gretel hat sich bereits mit zehn Wochen von ihren Eltern gelöst, als sie hier eingezogen ist. Aber möglicherweise habe ich die Situation völlig falsch gedeutet, als ich sie kürzlich mit allen Vieren auf dem Küchentisch erwischte, wo sie die Sauce eines Brathuhns trank: Wahrscheinlich wollte sie gar nicht stehlen, sondern suchte in der Sauciere nach ihrer Identität.
Tatsache ist: Das Teenager-Hirn wächst während der Pubertät so erheblich wie sonst nur in den ersten zwei Lebensjahren. Etwas, was derartig im Umbau begriffen ist, kann gar nicht normal funktionieren. Daher auch dieser völlig leere Blick, wenn man „Komm!“ ruft: „Irgendwo habe ich das schon mal gehört“ , denkt sich der Hund, der bis zum vorgestrigen Tag gehorchte wie eine Eins, „hmmmmmm… Was könnte das bedeuten….“- bloß kommt er gar nicht dazu, seinen sowieso sehr langsamen Gedanken zuende zu denken, weil ihm, bevor der Gedanke im Schaltzentrum angekommen ist, seine völlig unausgegorene Motorik befiehlt, jetzt in die andere Richtung zu rennen. Was aussieht wie ferngesteuert, ist auch ferngesteuert. Dem Hundebesitzer bleibt nur, rechtzeitig Lassowerfen zu lernen.
Menschliche Teenager nehmen während dieser speziellen Zeit ALLES persönlich, selbst, wenn die Espressomaschine versagt oder ihr Handy-Akku: Alles Teil einer ausgeklügelten Erwachsenen-Verschwörung gegen sie. Hunde dagegen nehmen NICHTS persönlich, selbst, wenn man es durchaus ganz persönlich meint, wenn man sie anschnauzt. „Mann ey“, scheinen sie zu sagen, während sie selbstzufrieden aus dem Zimmer schlendern, „was du dich anstellst, nur weil ich zwei Riemen von dem dusseligen Schuh da gefressen habe… Ein Hund muss nun mal tun, was ein Hund tun muss.“
Denken Sie einfach daran, dass Sie wirklich Glück haben: Bei Kindern dauert die Pubertät Jahre. Bei Hunden nur ein paar Monate.

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