Am letzten Wochenende traf ich in einem Hamburger Hundeladen ein Paar mit einem winzigen Labrador-Welpen. Er lag ganz klein zusammen gerollt auf dem Boden, um ihn herum tobten fremde Hunde, aber er schlief den komatösen Schlaf eines tief erschöpften Babies. Seine Besitzer suchten edle Lederhalsbänder aus, die sie ihm immer wieder umbanden und wieder abnahmen. Wie alt das kleine Ding denn sei, wollte ich wissen. Acht Wochen“, lautete die Antwort. Ich habe ihn gestern abend vom Züchter geholt.“ Hat er denn schon die zweite Impfung hinter sich?“, fragte ich und bemühte mich, bloß keinen alarmierten Ratgeber- oder Klugscheißerton anklingen zu lassen. Vorher sollte er eigentlich nicht mit vielen fremden Hunden und noch viel mehr neuen Bakterien zusammen kommen.“ Doch, der ist fertig geimpft“, sagte sein junger Besitzer. Hat der Züchter gesagt.“
Mit acht Wochen bekommen Hunde überhaupt erst die erste Impfung, wobei sich die Antikörper erst nach 14 Tagen bilden. Erst nach der zweiten Impfung mit 12 Wochen gelten als sie als grundimmunisiert: Vorher sind Welpen noch für alle möglichen Viren anfällig. Aus genau diesem Grund nimmt sie übrigens auch keine Welpenschule an. Als erstes sollte man einen neuen Hunde sowieso erst einmal ein paar Tage lang in Ruhe seine neue Welt zuhause kennen lernen lassen. Wieso musste der Welpe nach 24 Stunden schon zum Shoppen zwischen riesige fremde Hunde, fremde Gerüche, fremde Bakterien? Junge Hunde brauchen wie kleine Kinder sehr viel Ruhe und Schlaf. Sie kommen aus einer kleinen Welt, und die neue Welt sollte man anfangs auch klein und übersichtlich halten, damit sie ein sicherer, starker Hund werden können.
Nachdem zum dritten Mal ein dreibeiniger Boxermischling und mein 22-Kilo-Pudel über den Welpen sprangen und der erschrocken zusammenzuckte, riet ich, den Welpen doch besser auf den Arm zu nehmen. Der Mann murmelte etwas von da musser durch“ und dass der Kleine lernen müsste, sich zu wehren (ungefähr so logisch, wie ein einjähriges Kind in eine Gruppe Teenager zu stecken). Seine Freundin fragte mich lauter Dinge, aus denen hervorging, dass sie von Hunden weniger als nichts wusste. Als sie den Welpen hoch nahm, fiel mir auf, WIE klein er für seine acht Wochen war: In dem Alter ist ein durchschnittlicher Labrador schon ein echter kleiner Brocken, der gute sieben, acht Kilo wiegt. Der hier – perfekt proportioniert und von wunderbarem Blond – war höchstens die Hälfte. Seinem Ausdruck nach schien er eher 5-6 Wochen alt zu sein: Zu klein, um schon von Mutter und Geschwistern getrennt zu sein, zu klein, um überhaupt geimpft zu werden. Nach einer verantwortungsvollen Zucht sah er nicht aus, eher wie ein Internetkauf. Wieso recherchieren Leute akribisch, um genau die richtige Rasse für sich zu finden, um dann doch per Schnellschuß möglichst preiswert einen Hund von jemandem zu kaufen, der gerade welche da hat“, – als wäre ein Hund ein Pullover? Ich sah später, wie das Paar in einen Ferrari stieg – ein Auto, bei dem man allein für die Cockpit-Betätigung eine Gebrauchsanweisung braucht. Wieso kauft man sich einen Hund, ohne vorher ein Buch zu lesen? Fährt man nach China ohne Sprachführer? Damit Hunde unsere Erwartungen erfüllen können, muss man lernen, sie zu verstehen und gut und gerecht mit ihnen umzugehen. Das ist nicht angeboren wie ein grüner Daumen. Und wenn man an die vielen verdorrten Gummibäume denkt, die am Straßenrand entsorgt werden, scheinen auch den nicht so viele zu haben, wie sie glauben.
Und man ist absolut machtlos dagegen. Weil jeder Depp sich einen Hund besorgen kann. Egal wie.