Was ist eigentlich Führung?

Foto: Paul Croes
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Die meisten von uns träumen davon, mit Hunden eine Art „gleichberechtigter“ Partnerschaft zu führen, in der man Seite an Seite gemeinsam in den Sonnenuntergang marschiert. Das ist eine schöne Idee, funktioniert im richtigen Leben nur leider nicht so ganz – denn wir leben in einer menschlichen Gesellschaft, in der der Hund nur so viel Freiheit haben kann, wie er nicht die Freiheit anderer Menschen und Tiere einschränkt. Das heißt also: Mein Hund muss sich unserer Gesellschaft anpassen und kann nicht einfach seinen Instinkten und Ideen nachgeben. Schon deshalb müssen wir nun mal die Aufgabe übernehmen,  unseren Hunden zu sagen, wo’s langgeht.

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Ganz abgesehen davon ist es für Hunde normalerweise deutlich entspannender, sich einem geeigneten,  ausgeglichenen Anführer anschließen zu können und Konflikte nicht selbst lösen zu müssen.

Ein Anführer, der von Hunden ernst genommen werden soll, muss gewisse Ansprüche und Qualitäten erfüllen. Je mehr Mängel die Führungsqualität aufweist, desto weniger wird sich der Hund in adrenalingeladenen, ablenkenden oder kritischen Situationen von mir führen und lenken lassen.

Die meisten Hunde vertrauen einem souveränen, selbstsicheren und selbstbewussten Anführer, der auch in kritischen oder angespannten Situationen ausgeglichen, berechenbar und ruhig bleibt, konsequent und fair. Er setzt sich durch, ohne dabei despotisch zu sein, ohne Gewalt und nicht um jeden Preis. Er will lenken, nicht zwingen.

Manche Hunde(rassen) kann man auch ohne Führung durch gezieltes Training in den Griff bekommen (denn, ehrlich gesagt, können sehr, sehr viele Menschen nicht wirklich gut führen, und ihre Hunde machen trotzdem so ziemlich, was sie sollen). Bei vielen Hunden stößt man mit Training allein allerdings recht schnell an seine Grenzen (ich bin z.B. sicher, dass der Grund, warum es mit Nano für einen jungen Galgo, der mit Menschen nur wenig bindungsfördernde Erfahrungen hatte, so erstaunlich gut läuft, nicht der ist, dass ich ein Erziehungs-Genie bin – bin ich nämlich nicht -, sondern, weil ich ein guter Anführer bin und er sich gerne von mir führen läßt).

Hunden kann man nichts vorspielen. Wenn ich nicht entspannt bin, Angst oder Sorgen habe, Konflikte im Job, in der Beziehung oder in der Familie habe, traurig bin oder im Job sehr frustriert oder unglücklich bin, dass kann ich nicht entspannt und emotional ausgeglichen mit meinem Hund arbeiten.  Wie soll ich meinen Hund ruhig und gelassen führen, wenn ich ständig aggressiv reagiere, cholerisch aus der Haut fahre oder mich ängstlich oder beleidigt zurückziehe? Nicht nur das: Unsere Hunde leben heutzutage so eng mit uns zusammen – und nicht wie früher hauptsächlich auf dem Hof oder gar im Zwinger -, dass sie wirklich jede unserer Stärken ebenso wie unsere Schwächen kennen und sie im Zweifel auch für sich nutzen (man könnte das auch „ausnutzen“ nennen, wenn man gerade einen schlechten Tag hat).

Ein guter Anführer kennt seine Stärken und Schwächen aber auch selbst und handelt entsprechend. Wenn er merkt, dass er heute eben nicht ausgeglichen ist oder ein gewisses Aufmerksamkeitsdefizit hat, läßt er den Hund beim Spaziergang eben an der Leine, spielt lieber mit ihm und macht sein mühsam aufgebautes Training nicht durch schlechte Verfassung wieder zunichte.  Wenn ich in meiner Führung nicht „authentisch“ bin, wird mein Hund wahrscheinlich nicht mitmachen. Dann wird der Mensch frustriert und ärgerlich, vielleicht sogar sauer – und benimmt sich immer weniger wie ein guter Anführer.

Führen ist ein Vollzeitjob. Mein Hund weiß immer, wie es mir geht, ob ich fröhlich, unglücklich oder gar euphorisch bin. Ich kann ihm nichts vormachen, weil er meine Körpersprache besser lesen kann, als ich selbst. Er riecht jede Schweißmolekülveränderung und weiß schon Tage vor mir, ob ich Grippe bekomme. Ich bin für meinen Hund nicht nur dann der Anführer, wenn ich etwas von ihm will, sondern immer, rund um die Uhr. Natürlich darf ich auch Schwächen haben und Fehler machen – aber mein Gesamteindruck muss überzeugen. Dann nimmt er mir gelegentliches „Versagen“ auch nicht krumm, weil er grundsätzlich Vertrauen hat.

Dann akzeptiert er auch die Grenzen, die ich setze. Ich als Teamführer habe die Verantwortung, auch gewisse Veränderungen oder Tendenzen an meinem Hund zu bemerken und entsprechend zu reagieren und eventuell gegenzusteuern – wenn ich also weiß, dass Nano  vor allen schäferhundähnlichen Hunden mit Angst und Theater reagiert, ist es meine Aufgabe, ihn z.B.  rechtzeitig an die Leine zu nehmen und ihn aus der beängstigenden Situation herauszuführen, genügend Platz zwischen ihm und dem Unglücksraben von schäferhundähnlichem Hund zu lassen. Wenn er sich trotzdem aufspielt, ermahne ich ihn, denn er wird ja von mir beschützt, also soll er mir diese Aufgabe bitte auch überlassen. Aber ich werde nie ärgerlich oder unbeherrscht. Nie. Denn wenn mein Hund etwas macht, was mir nicht paßt, dann deshalb, weil ich ihm bisher nicht gut genug gezeigt habe, was ich stattdessen von ihm möchte.

Ziel eines Anführers soll sein, Grenzen so zu vermitteln, dass der Hund sie problemlos und stressfrei akzeptieren kann (das bedeutet nicht, dass er anfangs nicht auch mal Beschwichtigungssignale zeigt, wenn ich Grenzen zum ersten Mal setze und er sich darüber wundert – aber er soll meine „Neins“ oder „Lass‘ dass“s normalerweise in Ruhe akzeptieren, ohne in die Knie zu gehen. Wenn ich ihn also vom Sofa oder vom Bett schicke, ihm verbiete, den Futternapf eines anderen Hundes anzurühren, einem Kind nicht den Keks aus der Hand zu klauen (auch nicht mit Charme und schönen Augen) oder zu signalisieren, dass er sein Spiel mit einem anderen Hund unterbrechen soll, soll er das einfach tun, ohne mit geduckter Haltung und angelegten Ohren davon zu schleichen.

Aber dafür muss der Anführer ruhig, gelassen, konsequent und fair sein. Ein besserer Mensch also.

Niemand hat gesagt, das Hundehaltung einfach ist. 🙂

 

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