Was für einen Unterschied ein halbes Jahr ausmachen kann

Am 8. März diesen Jahres kam Nano hier an.

Nano am 9. März 2014

Nano am 9. März 2014

Er war unglaublich mager, schwach, voller Löcher, Wunden und Parasiten, ein Junghund, der nichts kannte, der in seinem vorherigen Leben in einem dunklen Verschlag auf Beton gelebt hatte, ab und zu in ein Auto gepackt und auf einem Feld wieder ausgeladen wurde, um hinter einem Hasen herzujagen, und sobald er ihn erwischt hatte, wurde er wieder ins Auto zurück gebracht und zurück in den Verschlag gefahren. Er hatte nicht gelernt, dass es sich lohnt, sich auf Menschen zu verlassen, er hatte keine Ahnung von dem Konzept, dass man „zusammen spazieren“ geht (und sich nicht einfach in zwei Stunden wieder am Gartentor trifft), dass man auf Zuruf zum Menschen zurück kommt, dass man nicht einfach alles frisst, was einem vor die Nase kommt, dass man mit kleinen Hunden vorsichtiger umgehen muss als mit großen, dass Mobbing verboten ist und wie es sich anfühlt, wenn einem jemand die Ohren und den Bauch krault. Er hatte nicht gelernt, dass es nicht Tod und Verderben bedeutet, nur weil ein Mensch irgendetwas mit einem macht, was nicht 100 Prozent angenehm ist, wie Krallenschneiden, Zähneputzen oder Baden.

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Und jetzt ist Nano ein starker, stattlicher Hund, der wirklich fabelhaft gehorcht, der vorsichtig mit kleinen Hunden und noch viel vorsichtiger mit kleinen Menschen umgeht, der gelernt hat, dass ein Pfiff sofortige Umkehr bedeutet, der kommt, wenn ich rufe, der mir absolut traut und nichts mehr übel nimmt. Er hat gelernt, dass es grundsätzlich ok ist, wenn ich sage, dass es ok ist, er hat gelernt zwischen guten und uninteressanten Keksen zu unterscheiden (die er dann zwar höflichkeitshalber annimmt, aber gleich wieder ausspuckt), der nicht vom Tisch klaut und es mittlerweile aushält, wenn fremde Hunde an uns vorbei gehen. Er hat gelernt, dass Dabeisein super ist und man sich dann ruhig auch mal eine Runde langweilen kann im Restaurant, im Buchgeschäft oder bei Freunden. Er hat gelernt, sich an der Leine von Zwei- oder Dreijährigen führen zu lassen und dann ganz vorsichtig zu gehen. Er hat gelernt, von alleine in die Dusche zu marschieren, wenn ich „Ab ins Bad“ sage, und dass warmes Wasser wahnsinnig angenehm ist (dass er bisher nicht gelernt hat, sich nicht in toten Maulwürfen, Wildschwein-Durchfall, Kuhfladen, Fischinnereien und vor Wochen verstorbenen Feldmäusen zu wälzen, verschweigen wir an dieser Stelle lieber).
Nano hat wirklich gelernt,sich so elegant zu benehmen, wie er aussieht.

Nano am 1. Oktober 2014 Foto: Meike Böhm

Nano am 1. Oktober 2014
Foto: Meike Böhm

Außer, sein innerer Welpe geht mit ihm durch und er benimmt sich wie die letzte Gurke, aber auch das ist in Ordnung.

Es ist für mich immer wieder wie ein Wunder, wie unglaublich resilient und anpassungsfähig Hunde sind. Dass sie bereit sind, um des Überlebens Willen alles zu vergessen, was vorher schief gelaufen ist. Man muss ihnen nur Zeit geben, sie nicht bedrängen, mit ihnen möglichst viel Unsinn machen und sie nie zu Körperkontakt zwingen, den sie ja nicht kennen. Wenn man sie kommen läßt, geht alles (man sollte jungen Mädchen eigentlich als erstes einen Hund aus dem Tierschutz geben. Wenn sie verstanden haben, wie das geht, werden sie in ihrem ganzen Leben nie wieder Probleme haben, Männer zu begreifen). Für mich ist eigentlich nichts interessanter, als solche Hunde zu erziehen – ihnen zeigen, wie unerhört lohnenswert es ist, zu mir eine Beziehung und eine Bindung aufzubauen, dass ihr Leben dann eindeutig besser wird. Es verändert sich noch immer andauernd – Nano hat gerade in den letzten Wochen noch einmal große Fortschritte gemacht; auf einmal ist er ein praktisch normaler Hund, dem auch etwas mehr Druck zuzumuten ist (will heißen: Ich kann körpersprachlich deutlicher zeigen, dass es mir nicht gefällt, wenn er ins Unterholz donnert oder es auch aussprechen – vor ein paar Wochen noch hätte ich ihn damit weiter weg getrieben).

Mit Hunden zu arbeiten, ihnen etwas Neues zu zeigen und beizubringen macht doch einfach unendlich viel Spaß. Es entschädigt mich für jeden Quark, den ich mit Redaktionen oder ungerechten Chefredakteuren erlebe, mit ungefragt gekürzten Texten oder Frustrationen, weil jemand ein Thema nicht möchte, von dem ich so überzeugt bin, usw. Den Unterschied zwischen einem Hund, der nichts kennt, und dem gleichen, der ein halbes Jahr später durchs Leben marschiert, als habe er von Welpenbeinen an alles gesehen, ist Instant Gratification.

So ähnlich muss es sein, aus ein paar Wollknäueln einen phänomenalen Pullover zu machen. Aber damit kenne ich mich nicht aus.

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