Rückruf mit „Abklatschen“

„Eine alte Redensart sagt, dass Hunde im Großen und Ganzen das sind, was ihr Herr aus ihnen macht. Sie können wild und gefährlich sein, unzuverlässig, unterwürfig und voller Angst; oder treu und loyal, mutig und der beste aller Gefährten und Verbündeten.“                                                          – Sir Ranulph Fiennes, britischer Forscher

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_NM50031 4Ich persönlich möchte, dass meine Hunde möglichst frei und ohne Leine laufen – schon deshalb, weil es keinen Spass macht, mit fünf oder sechs Hunden an der Leine durch Wald udn Wiesen zu marschieren. Dauernd muss einer pieseln, immer will einer schnüffeln, und bei fünf oder mehr Hunden müssen die Hunde stramm auf einer Seite laufen, sonst sehen die Leinen irgendwann aus, als hätte man unterwegs Makramée für Fortgeschrittene veranstaltet.

Der Freilauf mit fünf jagdlich interessierten Hunden (um es mal sanft auszudrücken) funktioniert aber nur, wenn sie auf Kommando zuverlässig zurückkommen. Hier, wo ich wohne, ist sehr viel Wild unterwegs, und ich möchte nicht, dass Reh- oder Federwild unnötig gestört wird (abgesehen davon, dass ein Galgo durchaus in der Lage wäre, ein Reh zu erwischen – und ich kann Mord und Totschlag nicht aushalten).

Foto: N. Munninger

Foto: N. Munninger

Also übe ich den Rückruf sofort, sobald mir ein neuer Hund in die Finger gerät. Ich übe dabei (wie immer) nur anfangs, beim Aufbau des Kommandos mit Keksen und schleiche diese Belohnung ziemlich bald wieder aus. Irgendwann muss Erziehung einfach sitzen. Ist man anfangs bereit, einem Kleinkind den Pulitzer-Preis zu verleihen, wenn es mit Gabel und Löffel isst (und auch noch in den Mund trifft!), breche ich nicht mehr in Jubelstürme aus, wenn das gleiche Kind im Alter von sieben Jahren anständig mit Messer und Gabel umgehen kann.

Mir persönlich ist es völlig wurscht, ob ein Hund „vorsitzt“ beim Herankommen. Das Herankommen ist für mich ein Alltags- und Outdoor-Kommando, das auch an abfallenden Hängen oder bei Eis, Schnee und strömendem Regen klappen soll – und ich nicht will, dass die Hunde sich das Herankommen zweimal überlegt, weil sie ihre hübschen kleinen Hintern nicht nass machen oder auf glühendem Asphalt versengen möchten.

Ziel der Übung ist es, dass der Hund auf Rufen (oder Pfiff) und Körpersprache zügig und direkt zu mir kommt und meine Hand berührt. Dann wird nämlich niemand von uns später mal schlampig und findet, dass es ausreicht, wenn der Hund nach dem Pfiff oder Ruf acht Meter in meine Richtung läuft und sich dann wieder um seinen Kram kümmert.

Ich persönlich nenne das Kommando „Zu mir!„, und nicht „Komm'“ o.ä., weil ich das Wort „Komm!“ über den ganzen Tag verteilt überstrapaziere: „Komm‘, mach‘ mal Sit!“, oder „Komm‘, weiter!“, oder „Ach, komm‘, wir gehen jetzt mal nach draußen“…. etc. Weshalb der Hund das „K“-Wort rgendwann einfach nicht mehr ernst nimmt.

Man kann „Zu mir!“ auch ohne Weiteres an der langen Leine aufbauen, wenn der Hund bisher nicht zuverlässig ist – allerdings immer, ohne Zug auf die Leine auszuüben. Die Leine ist ausschließlich eine Begrenzung, kein Abschleppseil, kein Lasso, kein Signalverstärker. Sie ist nur dafür da, den Hund daran zu hindern, über Stock und Stein zu verschwinden, während wir ihm beibringen wollen, genau das eben nicht zu tun.

Die Leine soll locker duchhängen. Sie sollten außerdem noch genügend Leine in der Hand halten, um ein oder zwei Schritte rückwärts machen zu können, damit der Hund auf Sie zu und herankommen kann. Außerdem brauchen Sie ein paar kleinere Kekse, die Sie sich zwischen Daumen und Hand klemmen können, wenn Sie den Hund mit der offenen Handfläche zu sich winken. IMG_3965

Schritt 1

Stellen Sie sich in die Nähe Ihres Hundes. Legen Sie einen Keks in Ihre Handfläche und lassen Sie Ihre Hand seitlich fallen. Sobald Ihr Hund zu Ihnen oder sogar auf Ihre Hand schaut, winken Sie leicht mit Ihrer Handfläche, so, wie man ein Kind zu sich winken würde, gehen Sie dabei gleichzeitig ein, zwei Schritte rückwärts. Sehen Sie dabei immer vom Hund zu Ihrer Hand und wieder zurück zum Hund. Wenn der Hund daraufhin näher kommt, darf er sich den Keks aus Ihrer Hand nehmen – und die Übung ist beendet. Wiederholen Sie diese Übung drei oder vier Mal, wenn der Hund in Ihrer unmittelbaren Nähe steht.

Sobald das gut klappt, gehen Sie ein bisschen weiter spazieren und lassen den Hund ruhig etwa fünf bis zehn Meter vorlaufen. Bleiben Sie stehen, nehmen wieder einen Keks in die Hand und warten ruhig ab, bis der Hund zufällig in Ihre Richtung schaut. Dann winken Sie mit Ihrer Hand, gehen wieder ein, zwei Schritte rückwärts und schauen abwechselnd vom Hund zur Hand, von der Hand zum Hund… So, wie ein Hund von Ihnen zum Ball und vom Ball zu Ihnen sieht, wenn er Ihnen deutlich machen möchte, dass Sie das Ding werfen sollen.

Wiederholen Sie diese Übung ein paar Mal während des Spaziergangs und auch dann, wenn der Hund etwas weiter entfernt ist. Machen Sie es dem Hund die ersten Male auch leicht, alles richtig zu machen, indem Sie ohne starke Ablenkung üben, um auf diese Weise lauter fabelhafte Erfolgserlebnisse für Ihren Hund zu provozieren.

Wichtig: Üben Sie „Zu mir“ auch zwischendurch und in Situationen, in denen er gerne kommt: So schaffen Sie für Ihren Hund die Gewohnheit, Ihnen zu folgen, wenn Sie ihn um etwas bitten. Sicher und zuverlässig können Sie ein Kommando nur aufbauen, wenn Sie es zuerst ohne Ablenkung und anschließend mit steigender, milder Ablenkung aufbauen, und schließlich unter starken Ablenkungsreizen.

Als Belohnung reicht der Keks, den Sie in der Hand halten und Ihrem Hund anbieten. Er wird also nicht zusätzlich gelobt oder gestreichelt: Die meisten Hunde wollen beim Fressen sowieso gar nicht gestreichelt werden und ducken ihren Kopf weg.

Wozu diese ganzen Einzelheiten?

Die Handbewegung macht man deshalb, weil Hunde Bewegungen rein optisch viel eher wahrnehmen und viel spannender ist als stillstehende Objekte. Außerdem ist die winkende für en Hund dieZielvorgabe: Er weiß schon auf Entfernung, dass er nicht nur in unsere Nähe kommen soll, sondern immer bis zu unserer Hand – was sehr wichtig und praktisch ist, falls man ihn mal anleinen oder festhalten muss. Das bedeutet natürlich, dass Sie Ihrem Hund ab jetzt bei diesem Kommando immer eine Hand anbieten müssen, bis er sie berührt hat: Ein Kommando ist eine Absprache zwischen Mensch und Hund. Beide Seiten müssen sich an die vereinbarten Regeln halten. Vergessen Sie Ihre Hand irgendwann, kann Ihr Hund nicht richtig mitarbeiten. Manche Hunde lassen sich dadurch so verunsichern, dass sie nicht mehr zuverlässig kommen.

Der Schritt rückwärts signalisiert Ihrem Hund, dass Sie ihm Platz machen und dazu einladen, zu Ihnen zu kommen. Wenn Sie zu Hause einen Besucher zur Tür hereinlassen möchten, gehen Sie auch einen Schritt zurück und machen den Weg zum Eintreten frei. Bleiben Sie dagegen im Türrahmen stehen, blockieren Sie den Weg ins Haus.

Der Blick vom Hund zur Hand und zurück wird von Hunden auch eingesetzt, wenn sie etwas wollen: Wenn Sie ein Käsebrot essen, z.B. und Ihr Hund Sie anbettelt (was unsere Hunde natürlich niemals täten!) oder möchte, dass Sie ihm einen Stock werfen.

Wenn wir vom Hund zur Hand und wieder zurück zum Hund sehen, signalisieren wir ihm damit, dass er zu unserer Hand kommen soll. Gleichzeitig vermeiden wir damit das „Anstarren“ oder fixieren des Hundes, was unter Hunden gewöhnlich eingesetzt wird, um dem anderen zu drohen, bzw. um ihn auf Abstand zu halten. Also das genau Gegenteil von dem, was wir von ihm wollen.

Setzen Sie alle drei Signale synchron ein, sobald der Hund zu Ihnen schaut, wird Ihr Hund sofort verstehen, was Sie von ihm wollen. Zögert Ihr Hund zu kommen, überprüfen Sie kurz ihre Körpersprache und verbessern sich.

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Schritt 2

Hinzufügen eines verbalen Signals

Wenn Sie Ihren Hund bisher mit wenig oder ganz ohne Erfolg mit „Hiiiieeer“ oder „Komm!“ gerufen, sollten Sie sich ein ganz neues Wort ausdenken: Es ist immer einfacher, etwas neu aufzubauen, als etwas Altes zu restaurieren.

Eine gute Alternative ist der jeweilige Name Ihres Hundes plus „Zu mir!“

Falls Sie also das Herankommen mit „Zu mir“ aufbauen möchten, warten Sie, bis Sie Blickkontakt mit Ihrem Hund haben, setzten Sie Ihre Körpersprach zum Heranrufen ein und sagen Sie „Bello, zu mir“, kurz bevor der Hund bei Ihrer Hand angekommen ist. So üben Sie am besten die nächsten zwei Tage weiter, bis Sie sicher sind, dass Ihr Hund das Wort mit der erwünschten Handlung ausreichend verknüpft hat.

Ab dem dritten Tag setzen Sie das Kommandowort genau dann ein, wenn Ihr Hund noch keinen Blickkontakt zu Ihnen aufgenommen hat. Ab jetzt kombinieren Sie Körpersprache mit Handzeichen – wobei es eine gute Übung ist, die Stimme immer wieder mal weg zu lassen.

Manchen Hunden tut es sehr gut, wenn sie mit freundlichen Worten bestätigt werden, sobald sie auf uns beim Rufen auf uns zukommen. Das gibt ihnen noch mal die Bestätigung, alles gut und richtig gemacht zu haben. Wir Menschen hören das ja auch immer wieder gern und nie oft genug.

Schritt 3

Keksbelohnungen ausschleichen

Anfang halten wir ca. 14 Tage lang immer bereits einen Keks in der Hand, bevor der Hund gerufen wird. So ist es sicher, dass der Hund direkt an der Hand die Belohnung bekommt und gleichzeitig lernt, immer ganz bis zur Hand heran zu kommen.

Danach wird der Hund stets mit leerer Hand herangerufen. Sobald der Hund die leere Hand berührt hat, greifen Sie ohne Eile in die Tasche und geben dem Hund seinen Keks.

Wichtig: Dies ist ein Herankommen ohne Vorsitzen. Verlangen Sie von Ihren Hund direkt nach dem Herankommen also kein „Sitz“, um ihm einen Keks geben: Ändern Sie nicht mittendrin die Spielregeln, um Ihren Hund nicht zu verunsichern oder zu demotivieren.

Nach ca. ein bis zwei Wochen setzen Sie die Kekse nur noch ein, um seine Leistung bzw seine Zuverlässigkeit anzufeuern. Fangen Sie nun an, ihrem Hund nur immer dann einen Keks zu geben, wenn er sofort auf Ihr Rufen gekommen ist. Kommt er erst beim zweiten oder dritten Rufen, so muss er zwar die Hand „abklatschen“ und wird auch stimmlich gelobt, aber einen Keks gibt’s nicht. Ab jetzt gibt es Kekse nur noch für hervorragende Leistungen!

Wenn Sie feststellen, dass das Herankommen immer zuverlässiger und schneller klappt, können Sie ihm immer mal einen Keks anbieten, so dass sich ihm immer die Chance von 1 : 5 bietet, bei Ihnen etwas abzustauben. So ist er von Mal zu Mal motivierter, zügig zu kommen – es könnte ja eine wunderbare Überraschung geben.

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Siehe auch: Ich kann gerade nicht! – Gute Gründe, warum der Hund gerade nicht kommen kann

 

2 Kommentare

  1. Ihre Erziehungstipps sind wirklich hervorragend, aber man merkt, dass Sie überwiegend mit großen Hunden arbeiten auch wenn es Barthl gibt 😀 Das einzige, was ich an der sonst wirklich praktischen Größe meines Zwerpinschers bedauert hab, war, dass ich mich zum belohnen immer bücken musste. Als er zu mir kam, hatte er die Größe eines hochbeinigen Mehrscheinchens und auch nachdem er einen Kopf größer als seine Mutter wurde hätte er maximal mit meinem Knie abklatschen können. Nun bin ich fünfzehn Jahre älter und mein Rücken ist jetzt schon beleidigt, weil ich mich gegen jeden gesunden Rückenverstand wieder für einen kleinen Hund entschieden hab (du kannst alleine auf dem Boden rum krauchen, ich mach da nicht mit und überhaupt gehen wir dann getrennt Wege), der ob seiner anfänglichen Ausmaße, er wird zehn Wochen alt sein, eigentlich im Liegen erzogen werden müsste 😀

  2. Das Abklatschen oder den Hand Touch habe ich für andere Dinge geübt. Um z.B. den Hund in der Tram in die Ecke zu setzen wo er er hin soll oder beim Tierarzt auf die Waage zu gehen. Er folgt meiner Hand und stupst sie an, egal wo ich sie platziere. Das macht es unglaublich viel leichter den Hund auf einen Platz zu führen wo er hin soll.

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