Wer Hunde hält, begräbt damit alle Aussichten, eine anonyme, unbemerkte, zurückgezogene Existenz zu führen. Das hat nichts damit zu tun, dass man mit Steuermarke und Microchip unter der Haut des Hundes ein offenes Buch für die Behörden ist. Wenn ich mit meinen Hunden spazieren gehe, bekomme ich in etwa ein Gefühl dafür, wie es sein muss, mit einem Prominenten verheiratet zu sein. Oder eher: Mit vier Prominenten. Man sieht mir mit offenem Mund nach, Kinder zeigen auf mich: Mami, guck mal: Die Frau hat vier Hunde!“ Friseure und Stylisten rufen angesichts der zwei Großpudel und der beiden zarten Windspiele Wie süß!“ hinter mir her, auf dem Fahrrad an Kreuzungen bringe ich den Verkehr zum Erlahmen. Ganz erklären kann ich mir das eigentlich nicht, ich gehe schließlich nur mit vier Hunden spazieren, nicht mit acht Lamas.
Aber Hunde sind eine Art gesellschaftliches Schmiermittel in der Stadt. In meinen hundefreien Stunden wird mir häufig gesagt, dass mein normaler Gesichtsausdruck ernst und distanziert ist – was nichts weiter als mein erfolgloser Versuch ist, kultiviert und gelassen zu wirken. Sie können mir glauben, dass es völlig unmöglich ist, distanziert, gelassen oder kultiviert zu wirken mit vier abenteuerlustigen Hunden an der Leine, deren Hinterlassenschaften man in kleinen Plastikbeuteln aufsammelt. Schon mit einem Hund ist man unglaublich ansprechbar, mit mehr als zwei Hunden ist man praktisch Freiwild. Kinder fragen, ob sie die Hunde streicheln dürfen, ältere Leute halten mich an und erzählen, dass sie als Kind auch einen Königspudel hatten. Als ich nach Berlin zog, gab es nach zwei Monaten niemanden mehr in meinem Stadtteil, der mich nicht kannte und umgekehrt. Für letzte nächtliche Pipi-Runden brauche ich Ewigkeiten, weil ich auf der Straße so viele andere Leute mit Hund treffe. Streng nach der merkwürdigen Etikette, die unter Hundebesitzern herrscht: Wir stellen uns nicht selbst vor, nur unsere Hunde. Meine Hunde kennen also Holly, Diego, Tally und Jerry, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, wie deren Besitzer heißen.
Ich liebe Hunde, weil es so leicht ist, mit ihnen zu leben: Sie begrüßen jeden Tag mit unerhörter Freude darüber, dass sie wieder mit dabei sein dürfen. Ich halte Hunde dabei nicht für die besseren Menschen, allerdings glaube ich wirklich, dass sie aus uns bessere Menschen machen. Ich persönlich bin viel freundlicher durch meine Hunde, ehrlich. Neulich bei einem Besuch in München sprach ich zwei Männer an, beide in schwarzes Leder gekleidet und von oben bis unten mit Körper-Piercings und Tätowierungen verziert, was normalerweise nicht in mein Beuteschema fällt. Aber sie führten ein Italienisches Windspiel an der Leine, und so wurden wir im Nullkommanichts zu lebenslangen Verbündeten über unsere geteilten Stubenreinheitserfahrungen.
Tatsache ist: Die meisten Hundebesitzer sind nette Leute. Sie wissen eine Menge darüber, warum sie machen, was sie machen, weil sie das alles aus Hundebüchern gelernt haben. Wir wissen alles über dominantes Auftreten und De-Eskalationsmöglichkeiten, Gruppen-Psychologie, Augenkontakt und Beschwichtigungs-Gesten, Territoriums-Gehabe oder sexuelles Besitzverhalten. Wer braucht da noch Internet-Kontaktbörsen?