Der Greyhound ist der Maserati unter den Windhunden – pfeilschnell und elegant. Das ist auch sein Fluch: In Irland, Großbritannien und den USA gibt es immer noch eine Wettrennen-Industrie mit teilweise grausamen Auswüchsen. Ein Plädoyer für richtig verstandene Tierliebe
Die Geschichte des Greyhounds zieht sich entlang der Geschichte der menschlichen Zivilisation. Der Windhund begleitet den Menschen seit über viertausend Jahren, er saß zu Füßen der Pharaonen und der Wikinger, unterhielt den griechischen Historiker Xenophon (487 bis 433 vor Christus) und dem Mythos nach auch Götter wie Pollux und Diana. Der Greyhound sieht mit seinem sehnigen, eisernen Körper aus wie eine fleischgewordene Skulptur. Kein Wunder, dass seine Schönheit und Anmut durch die Jahrhunderte Künstler fasziniert hat: Dichter wie Ovid, Shakespeare und Sir Walter Scott haben die Greyhounds besungen, Maler wie Veronese und Delacroix, Edwin Landseer und Stubbs konnten sich nicht an ihnen sattsehen.
Der Greyhound war immer born to run: Seine Aufgaben waren seit den Zeiten der Pharaonen die Niederwildjagd und die Hasenhetze, kurze Hochgeschwindigkeitsstrecken also. Es ist tatsächlich ein Erlebnis, einen Greyhound beim Laufen zu erleben, wie er in ausgreifenden Sätzen scheinbar mühelos immer schneller, im vollen Galopp dann flacher und flacher wird. Der Greyhound kann ohne Anstrengung über zwei Meter hohe Hindernisse oder fünf Meter lange Gräben setzen. Sein Körper ist ein perfektes Beispiel für aerodynamisches Design: lange Beine, eine stark bemuskelte Hinterhand, die mit scharfer Winkelung wie eine Sprungfeder geartet ist; ein schmaler Kopf, der die Luft wie ein Pfeil durchschneidet; kleine, hoch angesetzte Ohren, zur Hälfte abgebogen und beim Rennen fest angelegt, um wenig Luftwiderstand zu bieten; eine tiefe Brust, in der eine große Lunge wohnt. Der Greyhound ist der Maserati unter den Windhunden. Er gehört zu den schnellsten Wirbeltieren der Welt und kann bis zu achtzig Stundenkilometer Geschwindigkeit erreichen. Seine Schnelligkeit ist zugleich auch sein Fluch: In Ländern wie Irland, Großbritannien und USA sind Greyhounds Teil einer Wettrennen-Industrie, deren entsetzliche Auswüchse teilweise kaum auszumalen sind.
Denn als die Hasenjagd als Amüsement der Adeligen aus der Mode kam, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts der Hunderennsport erfunden, bei dem die Tiere bis heute auf einer ovalen Sandbahn – ähnlich der einer Pferderennbahn – auf einer Strecke von 480 bis 520 Metern hinter einem künstlichen Hasen herhetzen. Der Erfinder jenes künstlichen Hasens war ein gewisser Owen Patrick Smith aus South Dakota, der 1904 von dem edlen und rein tierschützerischen Vorhaben beseelt war, die blutige Hasenjagd abzuschaffen. Er konnte nicht ahnen, auf welch blutige Weise später die Greyhounds ausgebeutet und verheizt werden sollten.
In den meisten europäischen Ländern mit ihren strengen Wettgesetzen sind Hunderennen eine amateurhafte, friedliche Angelegenheit, bei denen es kein Geld, nur Pokale zu gewinnen gibt. In Irland, Großbritannien und Amerika dagegen sind Profirennen sehr häufig eine brutale Sache, verantwortlich für unglaubliches Tier-Elend. Das beginnt bereits bei der Auswahl der Rennhunde. Jedes Jahr müssen weltweit etwa vierzigtausend Greyhounds sterben. Tausende von jungen, gesunden Hunden werden aus dem schlichten Grund getötet, dass sie nicht schnell genug sind; ihnen werden die Knochen gebrochen, sie werden ausgesetzt, an Zäunen zum langsamen Strangulieren aufgehängt oder gleich totgeschlagen. In den vergangenen Jahren sind tausende von Greyhound-Misshandlungen dokumentiert worden, Hunde, die erschossen, erhängt, vergast oder per Elektroschock getötet wurden, die verhungerten, mit gebrochenen Gliedmaßen und völlig geschwächt an irgendwelche Zäune angebunden. Im Jahr 1982 konnte Ron Walsek, der auf einer Rennbahn in Florida angestellt war, die Situation der Tiere nicht mehr aushalten und gründete die erste Organisation, die ausrangierte“ Renn-Greyhounds aufnahm und systematisch neue Zuhause für sie suchte. Bis heute werden allein in den USA über zwanzigtausend Greyhounds jährlich vermittelt. Die Verwandlung der professionellen Rennhunde zu professionellen Haus- und Schoßhunden ist nämlich geradezu wundersam: Die stahlharten Rennmaschinen haben, lässt man sie denn nur in Ruhe, die Tendenz, sich rasch zu Couch-Potatoes zu entwickeln; im Haus benehmen sie sich ruhig, liebevoll, anschmiegsam.
Inzwischen ist die Aufklärung besser geworden, die großen Rennorganisationen wie die World Greyhound Racing Federation geben sich durchaus große Mühe, dafür zu sorgen, dass der Sport nicht weiter in Verruf gerät – viele Menschen betreiben den Hundesport und züchten Greyhounds, weil sie die Tiere wirklich lieben; offiziell ist der Sport auch längst stark reguliert. Und trotzdem scheint es ungeheuer schwer, die zahllosen schwarzen Schafe in den Griff zu bekommen. Einige US-Bundesstaaten wie Massachusetts, Colorado, Wisconsin oder South Carolina haben mittlerweile die Konsequenz gezogen und Greyhound-Rennen verboten. Offenbar geht es nicht anders: Immer noch bekommen Greyhound-Rettungsgruppen in allen Ländern regelmäßig Ex-Profirennhunde, die innerlich wie äußerlich von Parasiten übersät sind, unversorgte Wunden haben oder unbehandelte Knochenbrüche. In den guten Rennställen passiert derlei natürlich nicht; hier werden die Hunde gehätschelt wie Athleten, massiert und physiotherapeutisch behandelt, bestens ernährt und in verantwortungsvolle Hände vermittelt, wenn ihre Rennkarriere vorbei ist. Gut gepflegte und trainierte Greyhounds sind eben erfolgreicher. Doch die ethischen Fragen bleiben: Dürfen Tiere zur Volksbelustigung herhalten? Schon gar wenn, anders als im auch nicht unschuldigen Pferderennsport, nicht wenigstens ein Mindestmaß an Halterkontrollen gewährleistet werden kann? Und Greyhound-Rennen sind Big Business. Allein in England wird jährlich ein Umsatz von rund 75 Millionen Pfund erzielt auf knapp sechstausend Rennen in 27 Stadien mit über 3,2 Millionen Besuchern. Der erfolgreichste englische Greyhound Toms the Best“ gewann insgesamt 118.000 Pfund an Preisgeldern; der teuerste Greyhound der Geschichte war bisher der amerikanische Rüde PS Rambling“, für den 1987 ein Kaufpreis von einer halben Million Dollar gezahlt wurde. Der erfolgreichste Rüde aller Zeiten wiederum war Mo Kick“ der Züchterin und Trainerin Bette Mosier, der über dreihunderttausend Dollar an Preisgeldern gewann und heute als zwölfjähriger Zuchtrüde auf KB’s Greyhound Farm“ in Texas lebt. Eigentlich hätten diese Hunde es verdient, bei einer Bezugsperson im Haus einen Platz am Kamin zu haben, anstatt in hohem Alter noch in Zwinger-Anlagen als Samenspender zu leben. Sie mögen phantastische Athleten sein, haben aber noch so viel mehr zu bieten. Vor allem ist der Greyhound eines: ein wunderbarer Freund und Begleiter des Menschen.