Achtsamkeit beim Hundespaziergang

Immer wieder beschwören und bewundern wir die Fähigkeit unserer Hunde, so konsequent im „Hier und Jetzt“ zu sein, ohne sich um vergangene Nöte zu kümmern oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Für sie zählt nur der Moment. Wenn wir anfangen würden, ihrem Beispiel zu folgen, könnten wir die momentane Lautstärke drosseln und und uns den Augenblick zueigen machen

An manchen Tagen ist es fast unmöglich, dem Strudel in unserem Kopf zu entkommen und dem Leben nachzugehen. Wir haken an einem Gefühl oder einer Stimmung fest, die wir nicht loswerden können, oder spulen in Endlosschleife immer wieder irgendein Erlebnis zurück, das uns fürchterlich beschäftigt, oder machen uns große Sorgen über ein „Aberwasistwenn“, das in der Zukunft auftauchen könnte.

Werbeanzeige

Jeder von uns kennt das. Niemand ist dagegen gefeit, außer vielleicht ein paar Zen-Priestern, die gelernt haben, mit diesen Mechanismen umzugehen.

Die gute Nachricht ist: Man braucht kein jahrelanges Zen-Studium, um die vielen offenen Fragen, Nöte und Sorgen im Kopf zu managen. Lernen muss man es trotzdem. Man kann lernen zu erkennen, ob Sorgen oder Aufregung zu einem bestimmten Thema sich lohnen oder nicht, ob es etwas ist, das überhaupt in unserer Macht liegt, oder ob wir das, was wir sowieso nicht beeinflussen können, einfach loszulassen lernen.

Was tun mit den ganzen sorgenvollen Gedanken? Was tun mit den Dingen, die uns wahnsinnig aufregen? Wir wissen selbst, dass Stress ungesund ist -bei unseren Hunden sind wir sehr bemüht, überflüssigen Stress mithilfe von Stress-Management zu bekämpfen – nur bei uns selbst versagen wir kläglich. Dabei wissen wir genau, dass diese ganzen negativen Gedanken erstens nichts bringen, und zweitens die Situation sogar verschlechtern können.

Eine Möglichkeit ist Achtsamkeit. Wenn wir uns unserer momentanen Empfindungen, unserem Fühlen, Schmecken, Gedanken und Emotionen in diesem Moment bewusst werden, können wir kaum gleichzeitig über die Vergangenheit nachdenken oder uns vor dem fürchten, was demnächst auf uns zukommen könnte. Weil wir uns explizit auf diesen Moment einlassen.

Am liebsten übe ich das beim Hundespaziergang. Es geht auch beim Reiten, beim Sport, beim Joggen. So lange ich früher noch intensiv geritten bin, war ich im Kopf wunderbar entlastet, weil ich mich beim Reiten auf mein Pferd, die Umgebung, den Wald, die Halle, die anderen Pferde konzentrieren musste, sonst wäre ich irgendwann vom Pferd gekippt. Der Trick ist, aus dem Kopf in den Körper zu gelangen, sich so auf Atmen, Fühlen, Bewegen zu konzentrieren, dass man ungute Gedanken schlicht verdrängt, weggeparkt werden.

Natürlich wissen wir alle, dass man beim Hundespaziergang auch fabelhaft weiter grübeln kann. Der Hund merkt das aber und macht sich dann gerne mal vom Acker, weil er mit dieser Art der Stimmung und der Energie, die wir ausstrahlen, lieber nichts zu tun haben möchte. Nachdem es mir noch schlechtere Laune macht, wenn meine Hunde aus dem Ruder laufen, mache ich mittlerweile aus meinen Hundespaziergängen fast grundsätzlich Achtsamkeitsübungen. Es ist ganz leicht und wird immer einfacher und selbstverständlicher, je öfter man derlei übt.

Lassen Sie Ihre(n) Hund(e) erst einmal an der Leine, damit Sie sich wirklich konzentrieren können. Achten ganz bewußt Sie auf jede Ihrer Empfindungen – so, wie Ihr Hund sich auch mit voller Konzentration auf jeden Geruch, jede interessante Bewegung konzentriert, die ihm begegnen. Wie fühlt sich die Luft auf Ihrer Gesichtshaut an? Wie fühlen sich ihre Füße in Ihren Schuhen/Stiefeln an? Wie fühlt sich der Wind in Ihren Haaren an? Wie fühlen sich Ihre Jeans an? Konzentrieren Sie sich auf Ihren inneren Hund (nicht den mit dem Schwein davor). Atmen Sie tief ein und aus. Wie riecht es dort, wo Sie gerade sind? Können Sie Vögel hören? Hören Sie Kirchenglocken? Flugzeuge? Vielleicht riecht es modrig, weil Sie in der Nähe eines Tümpels stehen? oder riecht es nach frisch gemähtem Gras? Nach Gülle (die, wenn man sich darauf einläßt, den Geruch irgendwie verändert, gar nicht mehr soooo furchtbar)? Riecht es nach Sonnencreme? Konzentrieren Sie sich auf alle diese Gerüche, einen nach dem anderen.

Sehen Sie sich um, konzentrieren Sie sich auf das, was Sie sehen, nicht auf das, was Sie denken. Achten Sie auf die Farben, die Muster. Vielleicht sehen Sie ein Haus, das Ihnen vorher noch nie aufgefallen ist, oder in der Ferne einen Fuchs, der irgendwo buddelt, oder Sie sehen, dass die Hortensien Ihres Nachbarn schon Knospen bekommen. Machen Sie ein mentales Foto von den Dingen, die Sie sehen, und was Sie dabei berührt.

Volle Konzentration, egal, was er tut

Schmecken Sie etwas? Sie müssen nichts in Ihren Mund stecken, um etwas schmecken zu können. Könnte sein, dass es noch die Zahnpasta von vorhin ist, aber wenn Sie an einem Fluß entlang gehen, schmecken Sie vielleicht den Tang in der Luft, oder die Feuchtigkeit. Achten Sie auf diese Geschmacksarten.

Diese Übung funktioniert immer. Egal, wie sehr ich mich gerade über irgendjemanden aufgeregt habe, worüber ich mir Sorgen mache: Auf diese Weise trete ich ein paar Schritte zurück aus meinen sorgenvollen Gedanken, aber hinein in den Rest meines Körpers und mitten in meine direkte Umgebung.

Kinder gehen mit einer ganz anderen Konzentration spazieren als wir Erwachsenen: Sie bleiben in Gedanken beim Hund und achten darauf, was er macht

Ein solcher „Achtsamkeits-Spaziergang“ hilft mir, mich daran zu erinnern, dass ich mit den ganzen großen Unbekannten in meinem Leben am besten umgehen kann, wenn ich auf mich selbst achte. Wenn ich auf mich selbst achte, kann ich in diesem Augenblick ganz präsent bleiben (das klappt sogar, wenn einen eine wildfremde Person anschnauzt und/oder wahnsinnig ungerecht und unhöflich ist: Weil ich bei mir und meinen Empfindungen bleibe – wie schmeckt die Luft? Wie fühlt sich der Wind an meiner Mütze an? -, nehme ich meine Angriffsfläche weg. Das Gegenüber merkt, dass er irgendwie bei Ihnen nicht „landen“ kann, obwohl Sie vor ihm stehen und ihn sogar ansehen – aber Sie sind eben nicht involviert in sein Theater). Dann kann ich den Dingen, die in der Zukunft auf mich zu kommen friedlich begegnen, weil ich wirklich im Gleichgewicht und gelassen bin, während ich mit meinen unglaublich frechen haarigen Begleitern im Laufe des Jahres viele Kilometer zurück lege. Und das können wir hundertprozentig und nur wir selbst beeinflussen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert