Adrenalin als Auslöser von unerwünschtem Verhalten

Adrenalin verstärkt alle Instinkthandlungen. Je höher also der Adrenalin-Level (von Mensch und Tier), desto weniger kann derjenige nachdenken, sondern reagiert nur noch, anstatt überlegt zu agieren.

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Bei Hunden heißt das: Je höher der Adrenalin-Level des Hundes, desto mehr werden seine natürlichen Anlagen verstärkt: Ein Herdenschutzhund bewacht stärker und schärfer, ein unsicherer Hund kann aufgrund der Adrenalinproduktion panisch werden, bei einem Hund mit Jagdinstinkt verstärkt sich durch einen hohen Adrenalinlevel sein Jagdtrieb. Hat der Hund weniger Stress, sinkt der Adrenalinlevel, und aus der Panik wird wieder Unsicherheit, man kann wieder trainieren, der Jäger ist wieder bereit, auf seinen Menschen und dessen Ideen zu achten, und der Herdenschutzhund muss nicht mehr jede Meise verbellen, die vorüber fliegt.

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Es bedeutet auch: Wie bei Menschen entstehen auch bie Hunden durch Stress Lernhemmungen und so genannte „Störungen in der Gedächtnisbildung“: Der Lernprozess wird behindert. Einen stark gestressten Hund muss man erst einmal wieder `runterfahren, bevor man mit ihm arbeiten kann.Hat sich der Hund also gerade sehr über irgendetwas erschreckt – einen Knall, einen Mensch im Unterholz, den er nicht entdeckt hatte, die böse Nachbarskatze, etc. – , dann dauert die Adrenalin-Produktion noch mindestens zehn weitere Minuten an, bevor sie sich langsam einstellt.

Stress verringert die Toleranzgrenze erheblich – Menschen wie Hunde werden gereizter und unfreundlicher.“

Je nach Lebensumständen wäre manch einer (ich selbst nicht ausgeschlossen) wäre oft besser beraten mit einem ausgeglichenen Mastiff, einem Bernhardiner, Bassett, Skye-Terrier oder einem Großpudel – Hunden, die von „Natur aus“ eher gechillt sind -, als den vielen Rassen in permanenter „Hab‘ Acht!“-Stellung, die wir uns aus ästhetisch motivierten Gründen aussuchen.

Entspannt sehen diese Körperhaltungen nicht aus

Entspannt sieht die Körperhaltungen dieser beiden nicht aus

Wenn man gelernt hat, die Stressysmptome des eigenen Hundes zu erkennen, kann man Training, Führung und Erziehung  unendlich vereinfachen: Sehe ich am Gesichtsausdruck meines Hundes, dass er eben nicht gelassen ist, lasse ich ihn an der Leine, um Konflikte von vorneherein zu vermeiden. Weiß ich, dass ich mit einer leicht erregbaren Rasse (oder einem Mischling) das Leben teile  (z.B. viele Schäferhunde, Windhunde, Chihuahuas, Zwergpudel), dann gestalte ich den Alltag so, dass ich großen Stress möglichst vermeide, will ich einen möglichst ausgeglichenen und gut führbaren Hund haben.  Hatten der Hund und ich ein aufregendes Wochenende (Rennbahn, Jagd – oder der Hund ist mir beim Waldspaziergang lange abgehauen und hinter Wild her -, Kindergeburtstag, wilde fremde Hunde zu Besuch, Ausstellung, Agility etc.), dann gestalte ich die nächsten vier, fünf Tage sehr ruhig und entspannt mit mit eher „langweiligen“, nicht so langen Spaziergängen, damit das Adrenalin wieder „`runterkommen“ kann: Tatsächlich kann es zwischen sechs bis zehn Tage (!) dauern, bis der Adrenalinspiegel wieder normal ist.

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Gehört zu den entspannten Rassen: Der Großpudel

Als ich umzog, waren meine Hunde wochenlang völlig außer Rand und Band. Obwohl sie erprobte Reisehunde sind, merkten sie offensichtlich, dass wir hier an einem Point of no Return angekommen waren, wir also nicht nach ein paar Tagen oder Wochen wieder ins heimische Berlin fahren würden. Dass wir auf unseren neuen Spazierwegen so viel Wild begegneten, als würden wir in einem Streichelzoo spazieren gehen, half auch nicht, die Situation zu beruhigen. Die Hunde schossen aus den pffenen Haustüren `raus, ohne nach links oder rechts zu sehen (was verboten ist), akzeptierten die Grundstückgrenzen nicht, die ich ihnen immer wieder zeigte, und rasten, wenn sie draußen waren, völlig kopflos im Zickzack draußen herum, schossen über die Nachbarhöfe und benahmen sich, als hätten sie noch nie in ihrem Leben auch nur ansatzweise so etwas wie Erziehung und Training genossen.

Alles, was einen Hund physisch oder psychisch überfordert, bedeutet für ihn Stress.“

 

Jetzt, nach zwei Monaten, haben meine Hunde sich eingelebt und regen sich überhaupt nicht mehr auf. Ich kann die Haustüren stundenlang aufstehen lassen und im Hof herumwurschteln, während meine Hunde friedlich an der Schwelle sitzen, mir zusehen, aber nicht die Nase über die unsichtbare Linie strecken – sogar Harry akzeptiert trotz offenen Türen, dass Paketboten in den Hof ein- oder Traktoren am Haus vorbeifahren, ohne dass er sie hysterisch verfolgt. Ich kann außerhalb des Zauns auf dem Grundstück mit Nano Blumen säen, ohne dass er plötzlich mit flatternden Ohren in den Wald stürmt in der Hoffnung, er würde vielleicht einem Feldhasen begegnen.

Aber es hat eben doch zwei Monate gedauert, was auch ich unterschätzt hatte (noch dazu ist es eben etwas anderes, ob man einen Hund hat, der sich vor allem an seinem Menschen orientiert, oder sechs bis sieben Hunde, die sich gegenseitig immer wieder mit Aufregung und Kokolores anstecken).  Windhunde gehören eben zu den erregbareren Hunden, die über Jahrhunderte für 0 auf 100 – Reaktionen  gezüchtet wurden, was manchmal nicht ganz einfach ist für das tägliche Leben – zumindest bei meinen Ansprüchen (meine Hunde dürfen viel, sie dürfen ohne Leine größere Bögen machen als viele andere Hunde, sie dürfen auf meine „Frei!“-gabe hin zum Nachbarhof gehen und dort ihre Kumpels besuchen, sie müssen nicht „Sitz“ können, aber sie müssen beim Grundstück bleiben, müssen abrufbar sein und niemanden piesacken). Ich habe in den letzten zweieinhalb Jahren mit Nano und Amali festgestellt, dass gerade Galgos nicht besonders stressresistent sind. Das ist auch kein Wunder: Galgos werden seit Jahrhunderten zur Jagd gezüchtet, die nur vier Monate Saison hat. Außerhalb dieser Zeit werden diese Hunde vollkommen ruhig und reizarm in abgelegenen Zwingeranlagen gehalten. Labradore dagegen sind „immer schon“ Jagd- und Familienhunde, mussten oder durften also seit Jahrhunderten mehr mitmachen, als die meisten Windhundrassen.

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Ganz sicher hat Nano mich sehr sensibel gemacht für Stressanzeichen beim Hund, weil er Streß deutlich schlechter verkraftet als die meisten anderen Hunde, die ich je hatte. Aber seit er mich so sensibilisiert hat, erkenne ich auch bei fremden Hunde viel mehr Stress-Symptome, die von den Besitzern für ganz normal gehalten werden, die sich aber dann doch wundern, warum ihre Hunde „plötzlich“ Leute anbellen, bei Spaziergang mit anderen Leuten und Hunden plötzlich durchgehen oder an manchen Tagen wahnsinnig viel bellen.

Anzeichen für Stress beim Hund sind:

  • Starkes Hecheln
  • Zittern,
  • Angespannte Muskulatur
  • Unruhe
  • Jamern/Fiepen/Winseln
  • Erhöhte Reizbarkeit bzw. Aggressionsbereitschaft
  • Zerkaufen/Zerstören von Gegenständen
  • Speicheln
  • Aufblasen der Backen
  • Rute eingeklemmt/steif
  • Dauerwedeln
  • Blich starr an den Horizont gerichtet
  • Geduckte Körperhaltung
  • Ohren eingeklappt/zurückgezogen, kombiniert mit zurückgezogenen Lefzen
  • Verweigern von Leckerchen
  • Verdauungsprobleme/Durchfall/Erbrechen
  • Stereotypen wie z.B. Rute fangen, im Kreis drehen
  • Nicht mehr ansprechbar sein
  • Konzentrationsmangel
  • Überreaktionen auf beiläufige Ereignisse
  • Starke Aufregung
  • Übertriebene Körperpflege
  • Stress-Gesicht (Phren straff nach hinten gelegt, starkes Hecheln, Augen zusammen gekniffen oder aufgerissen)
  • häufiges Urinieren
  • Urinieren im Haus bei stubenreinen Hunden
  • Appetitlosigkeit

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