Jetzt ist er also da: Anando, den ich wohl Nano nennen werde, weil er so nanosekundenschnell durch den Garten rennt. Pixel findet ihn super, Fritz findet ihn klasse, Gretel ist beleidigt und Harry wollte lieber die Katze mitnehmen von den Leuten, die ihn netterweise von Stuttgart, wo er aus Andalusien ankam, nach Dresden mitgenommen hatten.
Wir lernten uns in einem kleinen Garten kennen, in dem Pixel hinter irgendwelchem alten Gerät eine mumifizierte Ratte fand, die er unbedingt als Andenken mitnehmen wollte, weil er fand, die könnten wir in Berlin gut gebrauchen. Nano hielt sich etwas verschüchtert hinter einem sehr stattlichen gestromten Galgo, der offenbar der geborene Tonangeber war. Nano schien es ziemlich super zu finden, dass seine neuen Kumpels höchstens halb so groß sind wie er, marschierte mir sofort hinterher, als würden wir uns schon ewig kennen, und sprang auch mit der gleichen Selbstverständlichkeit in mein Auto, rollte sich zusammen und schlief.
Ängstlich ist er überhaupt nicht: Nicht mißhandelt, nicht traumatisiert, nur völlig unerfahren, aber dabei ganz offen. Er klebt an mir, weil ich in seinen Augen die Göttin der endlosen Nahrungsversorgung bin. Gestern abend bekam er ein Abendessen aus magerem Rindfleisch, Eigelb, gekochtem Dinkel, wenig Gemüse, Hüttenkäse, Magnesium und Tryptophan (für die Nerven, die aber ziemlich gut zu sein scheinen), Lachsöl (meine Wunderwaffe für alles: Haarausfall, Hautprobleme, Magerkeit, schlecht heilende Wunden und Fellwechsel) und pieselte anschließend einen gewaltigen See auf meinen Teppich (aber ich besitze nicht umsonst eine eigene Teppich-Shamponiermaschine). Wir gingen eine letzte Runde in unserem Park, anschließend hopse er von Hundebett zu Hundebett, um auszuprobieren, welches am allerweichsten sei. Und dann schlief er den tiefen Schlaf der Erschöpften. Das Konzept der Stubenreinheit ist ihm fremd. Heute nacht um halb fünf wachte ich einmal auf, und er dachte, möglicherweise habe nun der Tag angefangen, woraufhin er noch mal pieselte – diesmal in mein Arbeitszimmer. Wir müssen das eben so angehen, als wäre er ein Welpe – alle zwei Stunden mit ihm nach draußen, nach dem Aufwachen und allen Mahlzeiten sowieso. Wäre der erste Hund, der bei mir nicht stubenrein wird.
Er ist un-glaub-lich dünn. Jeder einzelne Wirbel liegt bloß, weil die Haut so trocken ist, dass sie an allen möglichen Stellen aufgerissen war. Er hat fürchterliche Schuppen, nachdem ich ihn gebadet und ihm eine Nerzölhautkur verpasst habe, sieht das Ganze schon besser aus. Ich habe ihn sofort angeklickert, ich strecke ihm meine Hand entgegen, und wenn er sie anstupst, klicke ich und gebe ihm einen Keks. Bei derartig „hungrigen“, also hochgradig futtermotivierten Hunden ein Kinderspiel. Er läuft wunderbar an der Leine – so warm und schön, wie es heute war, brauchte er auch keinen Mantel, lag in der Sonne auf der Terrasse und fraß einen alten Markknochen, den Pixel im Blumenbeet vergraben hatte für schlechte Zeiten und den er ausgebuddelt hatte, um ihn vor dem großen, fremden Hund eigentlich in Sicherheit zu bringen… Hat nicht geklappt.
Aber meine Hunde können teilen. Meine Hunde – und alle Besuchshunde – werden eigentlich immer hübsch der Reihe nach gefüttert: Zuerst Fritz als Gruppenvorstand, dann Harry, als Ältester und Hungrigster, dann Gretel und zum Schluß Pixel. Mit Nano geht das nicht: Galgueros füttern ihre Hunde gewöhnlich, indem sie das Futter einfach auf den Boden werfen, und wer am schnellsten frisst, hat gewonnen. Also bekommt Momentan Nano zuerst zu fressen, und dann setzen wird das Ritual wie üblich fort. Meine Hunde sind da großzügig. Ich habe ihn gebadet. Seine Haut ist so schuppig, dass sie seborrhoisch wirkte. Also habe ich ihm eine Ladung Leckerli in die Dusche geworfen, die er gerne suchte und vertilgte,
und ihn anschließend mit Teebaumölshampoo gewaschen (meine weitere Wunderwaffe gegen alles, inklusive schlechter Haut und schlechter Laune), während Pixel und Fritz zusahen (ob aus Mitleid oder Schadenfreude, konnte ich nicht erkennen).
Nachmittags waren wir noch mal spazieren, trafen alle möglichen Paten- und andere Kleinkinder, mit deren Gekreisch er überhaupt kein Problem hat. Er orientiert sich sehr stark an mir und meinen Hunden, und wenn wir ok sind, ist er auch ok. Er ist merkwürdig vertraut. Er passt gut hierher.
Jetzt liegt er todmüde neben mir im Arbeitszimmer auf meinem Sofa (dieses Sofaliegen muss Windhunden angeboren sein – gelernt hat er das bisher garantiert nicht!), während die anderen Hunde sehr artig auf ihren jeweiligen Kissen liegen, jeweils zu zweit. Streß schweißt eben zusammen.