es ist wieder Frühling. Das hast Du schon gemerkt, bevor Du die ersten Krokusse im Garten entdeckt hast – nämlich daran, dass wir momentan einfach nicht gehorchen können. Wir geben uns ja alle Mühe, aber – es ist wirklich sehr schwer, sich daran zu erinnern, was „Zu mir!“ bedeutet, wenn man gerade den Ruf der Wildnis im Ohr und den Duft der Wildschweine in der Nase hat. Manchmal ist es sogar schwer, sich daran zu erinnern, wie man eigentlich heißt. Du hast keine Ahnung, was Du da von uns verlangst, wenn Du uns zurückrufst, gerade dann, wenn die Ohren im Winde flattern, und die Luft ist so lau und so mild…
Außerdem könnten wir schwören, dass die Regeln fürs Spazierengehen früher anders waren. War es nicht so, dass ein Spaziergang bedeutete: „Wir treffen uns in zwei Stunden am Gartentor wieder“? Nein? Bist Du sicher? Bist Du wirklich ganz sicher? Also, wir würden es wahrscheinlich jederzeit beschwören. Wir sind uns praktisch sicher. Aber Du weißt ja immer alles besser.
Echt. Manchmal wünschten wir, wir wären Menschen. Wir wissen schon: Du siehst uns auf unseren weichen Decken in der Sonne liegen und Dir zusehen, während Du Laub harkst und wegräumst, unsere gut platzierten Hinterlassenschaften aufsammelst und Krokusse bewunderst. Du denkst wohl, wir haben gar keine Sorgen – außer dem saublöden heulenden Husky von gegenüber endgültig das Maul zu verbieten und zu überlegen, wo wir unsere nächste Mahlzeit herbekommen. Naja. Aus dem Kühlschrank wahrscheinlich. Aber Menschen sind eindeutig im Vorteil- Sie können den Kühlschrank aufmachen und alleine im Wald spazieren gehen. Niemand kommandiert sie herum, wenn sie sich in toten Sachen wälzen. Wobei, wenn wir gerade darüber nachdenken – du machst das nur sehr selten. Wahrscheinlich hebst Du Dir die besten Sachen für die Momente auf, wenn Du ganz alleine das Haus verläßt. Wir konnten noch nie herausfinden, wo Du dann eigentlich hingehst. Aber wenn Du uns nicht mitnimmst, muss es schließlich besonders toll sein. Wahrscheinlich eine ganze Wiese voller toter Dinge.
Du hast es gut.
Wir nicht.
Aber wenn wir schon nicht mit Dir tauschen können, würden wir gerne ein paar der Regeln ändern. Wir leben hier schließlich zusammen. Wenn wir es uns genau überlegen, gibt es in diesem Haushalt mehr Hunde als Menschen, wieso denkst Du also, Du bist der Bestimmer? Das ist nicht besonders demokratisch.
Unsere neuen Regeln wären wie folgt: Wir wollen in Zukunft fünfmal am Tag zu fressen bekommen (wir haben das bereits mit Harry besprochen; er ist derselben Meinung). Und nicht diesen gesunden Kram, sondern die Sachen, die Ihr esst: Nutella-Brote, Eiskrem, Nudeln mit Tomatensoße und Lasagne. Salat kannst Du behalten. Pommes frites und Käsesandwiches, Pizza und Käsekuchen. Noch warmen Käsekuchen. Du weißt schon, wie wir ihn am liebsten mögen. Wir haben da wohl schon mal darüber gesprochen. Allerdings warst Du damals ein bisschen aufgeregt. Wahrscheinlich warst Du einfach nervös, weil kurz darauf Gäste kommen sollten.
Außerdem wollen wir mindestens zwei Stunden täglich gekrault werden. Am Stück. Nichts ist entspannender als eine ausgiebige Massage, und wir müssen eine ganze Menge Streß abbauen. Hast Du eine Ahnung, was es bedeutet, diesen Maulwurf in Schach zu halten? Uns täglich mit den unterschiedlichsten Meldungen und Markierungen in der Nachbarschaft auseinandersetzen zu müssen? Schließlich haben wir eine Verantwortung zu tragen, einen Ruf zu wahren. Zwei Stunden Massage pro Hund müssten doch wohl hinzubekommen sein. Wenn Du dann Deine Arbeit nicht schaffst, setzt Du Dich eben nachts an den Computer. Da ist es sowieso viel ruhiger und das Telefon lenkt Dich auch nicht dauernd ab.
Und wir wollen in Zukunft bellen, wann immer wir wollen. So lange wir wollen. So laut es geht. Schluß mit der blöden: dreimal bellen und Ruhe! – Regel. Jeder soll wissen, dass es uns gibt! Wir sind die Wächter des Universums! Die Retter der Gerechtigkeit! Du wirst sehen, es bringt riesige Vorteile. Niemand wird sich mehr in die Nähe unseres Gartens trauen. Und der Husky von gegenüber wird sich auch wundern, der Doofmann. Tut so, als könne er nicht bellen und heult immer nur herum. Der wird uns kennen lernen.
Was soll das heißen: Wir sollen dann auch mehr Verantwortung übernehmen? Ich kann mich nicht Auge in Auge mit dem Husky auseinandersetzen, das weißt Du genau. I habe Angst vor allem, was so ähnlich aussieht wie ein Schäferhund, Ohne Dich gehe ich an seinem Garten nicht vorbei, was glaubst Du denn. Und ganz alleine spazierengehen macht auch keinen Spaß. Es ist nicht einmal besonders lustig, sich im Matsch zu wälzen, wenn niemand „Laß‘ das!“ hinter uns herruft.
Hm. Vielleicht helfen wir Dir später ein bißchen bei der Gartenarbeit, um unseren guten Willen zu demonstrieren. Ich finde, das eine, mutige Krokus würde da drüben besser aussehen. Und Pixel meinte vorhin, er habe den Maulwurf gerochen. Ich glaube, wir gehen ihn mal suchen. Sehr tief kann er ja nicht sein.
Dein Nano & Pixel, alias: Die Geschwister Fürchterlich