Das Gute an der Erziehung von Hunden auf Reisen: Neues Umfeld, neue Aufgaben, neue Impulse

Fast wie in Graceland: Weihnachtswahn an der österreichischen Grenze
Waldschrat

Waldschrat

Wir sind schon wieder unterwegs – diesmal großräumig in Bayern, bis hin zur österreichischen Grenze. Ich habe mit Inga Böhm weiter an unserem Buch gearbeitet, bevor sie ihr zweites Kind bekommt (was nicht mehr lange dauern kann: Das Kind tobt derartig in ihrem Bauch herum, dass ich fürchte, es hat entweder seine eigene kleine Espressomaschine da drin, oder es ist ihm längst zu eng). Ihre zweieinhalbjährige Tochter Rosalie ist völlig hingerissen von meinen Hunden, die – ganz anders als die teilweise betagten Jagdhunde ihrer Eltern und einem jungen, etwas grobmotorischen Labrador – jeden Kinderunsinn mitmachen: Nano wird ständig von ihr zugedeckt, bekommt ein Kissen unter den Kopf geschoben, und dann legt dies ich daneben und singt ihm ca. drei Sekunden lang ein Schlaflied vor (länger reicht ihre Aufmerksamkeitsspanne nicht), dann wird das „Bettzeug“ wieder entfernt, damit ein anderer Hund in den Genus dieser Vorzüge kommen kann. Harry findet sie „so so so so süß!“, und Fritz ist sowieso der beste Babysitter aller Zeiten, der gestern auf einer langen Autofahrt, auf der Rosalie todmüde zu weinen anfing, alle ihre Tränen ableckte und ihr dann den Kopf in den Schoß legte, bis sie eingeschlafen war (allerdings weckte er sie mit einem sanften Zungenkuss über die Nase auch wieder auf).

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Waldfee

Waldfee

 
Dann habe ich noch lauter Tierschutzhunde begutachtet, die ich in München platziert habe, und  habe meine Hunde durch den Englischen Garten gescheucht, weil der olle Nano jetzt mal endlich anfangen muss, sich daran zu gewöhnen, dass wir immer wieder fremden große Hunden begegnen, und das noch lange nicht den Untergang des Abendlandes bedeutet.

Waldgeister

Waldgeister

Die Sache mit dem Wegerecht ist schwierig für Hunde, wie man immer wieder merkt bei den Hunden, die nicht in Parks oder häufig frequentierten Gegenden aufgewachsen sind: Im Gegensatz zu Menschen ist es für Hunde weder selbstverständlich, noch höflich, direkt aufeinander zuzugehen – was auf Wegen ja nicht anders geht. Also muss man für Hunde, die das direkte Aufeinander-Zugehen stresst, das Wegerecht eben ausweiten: Den Blick vom „Zielobjekt“ abwenden, auf den Boden schauen, die Schultern wegdrehen, einen Bogen laufen. Und in einem so langsamen Tempo gehen, als würde man einen Schlüssel suchen, dabei Grashalme oder Steine zählen, jedenfalls dem beunruhigenden Hund keinerlei Aufmerksamkeit schenken. Für Menschen ist das schwer: Es ist unser Urtrieb, immer „die Gefahr“ im Auge zu behalten, aber das bringt uns im Zusammenleben mit einem Hund nicht weiter (so gehen wir auch immer mit anderen „Gefahren“ um: wir behalten die Jogger, Pferde oder die Fahrräder, die von unserem Hund gejagt werden, fest im Auge – und lenken so seine Aufmerksamkeit genau darauf. Blöde Idee, wenn man sich das mal so überlegt, oder?).

Aber mir ist es eben sehr wichtig, dass ich meine Hunde immer wieder in einen ruhigen mentalen Zustand zu versetzen – weil ich möchte, dass sie auf mich achten, dass sie nicht jagen gehen, keine fremden Hunde mobben (Spezialität von Windhunden!) und sich überhaupt reizend und auffallend höflich benehmen.

Das Gute ist ja, dass Nano gelernt hat, die Leine zu mögen – wenn er an der Leine ist, merkt man ihm die Erleichterung geradezu an, dass er sich an der Leine um nichts mehr kümmern muss. Dementsprechend nutze ich die Leine auch immer wieder, ihn oder andere Hunde wieder „‚runterzukochen“ nach wilden Hetzspielen z.B., oder wenn offensichtlich sehr viele frische Wildspuren vor unserer Nase sind. Die Leine ist mein „Anti-Adrenalin-Mittel“. Wobei ich mit dem Hund an der Leine genauso umgehe, als hätte er keine Leine dran: Ich spreche ihn genauso an, gebe ihm die gleichen Kommandos und verwende die Leine keinesfalls als Abschleppseil, wie man das immer wieder sieht. An meiner Leine wird nicht geruckelt, gezuppelt, es werden keine „Impulse“ gegeben, denn daran gewöhnt sich ein Hund viel zu schnell. Was macht man dann, wenn der Hund frei läuft? Dann kann ich ja nicht plötzlich andere Impulse einsetzen, die er gar nicht gewohnt ist. Wenn also eine Leine am Hund dran ist, verhalte ich mich so, als wäre keine dran. Machen die meisten Hunde ja schließlich auch so :).
Und gerade bei Hunden, deren Erziehung – aus welchen Gründen auch immer – zeitlich verschoben war, ist die Leine ein sehr gutes Mittel, um dem Hund sozusagen „Hand in Hand“ beizubringen, dass die unmittelbare Nähe des Menschen der Weg zu Hurra und Abenteuern ist, ohne ihn dabei buchstäblich auf und davon gehen zu lassen. Denn dass der Mensch etwas sagt, und der Hund entsprechend handeln soll, muss er ja erst lernen. An der Leine (bis zu drei Meter) geht das gut – der Hund hat einen guten Radius, kann ich im Auge behalten und ist nah genug, um belohnt zu werden mit Worten, Streicheln oder Keksen. Ich bin ja, wie ich neulich schon ausgeführt habe, ein Freund von zeitweiligen Keks-Belohnungen. Denn nimmt der Hund keinen Keks, hat er Streß. Der Keks ist wie ein Thermometer: Wenn der Hund ihn annimmt, dann ist er bei uns, ist in unserer Welt. Wenn er ihn nicht annimmt, dann muss ich den Streßauslöser reduzieren (mich also im Zweifelsfall woanders hinbewegen), um beim Hund „ankommen“ zu können.

Viele dieser Dinge gingen bei Nano ziemlich schnell. Noch im September hat er im Englischen Garten überhaupt keine Kekse angenommen. Mittlerweile ist das alles kein Problem mehr. Gestresst ist er vor allem noch beim Anblick von Schäferhunden, Schäferhundmischlingen, oder großen schwarzen Hunden wie Hovawarts oder Gordon Setter. Alles, was ein bißchen kleiner ist als er selbst, findet er dagegen großartig. Er gehorcht zuverlässig ohne Leine, auch wenn ganz deutlich ist, dass er im Wald besser gehorcht als auf offenem Feld: Beim Anblick eines abgemähten Ackers gerät er schnell in den Jagdmodus – vielleicht eine Erinnerung an die Jagden in Spanien, die immer auf solchen großen, freien Feldern stattfinden? -, wobei wir das Pfeifensignal wirklich so, so, so geübt haben, dass es immer klappt. Naja: Fast. Manchmal muss ich mich auch platt auf den Fußboden werfen, damit er mich nicht mehr sieht – dann ist er schneller wieder da, als man blinzeln kann.

Fast wie in Graceland: Weihnachtswahn an der österreichischen Grenze

Fast wie in Graceland: Weihnachtswahn an der österreichischen Grenze

Alle anderen Hunde dagegen gehorchen so großartig, dass ich ihre Namen nur noch flüstern muss, weil sie ja zwangsläufig immer mitüben müssen. Und das ist auch gut so, denn: Natürlich orientieren sich Hunde lieber an ihren Artgenossen, als an ihrem Menschen – egal, wie sehr der sie liebt, mit herrlichsten Keksen vollstopft, ihnen großartige Mahlzeiten zubereitet und die weichsten Betten zur Verfügung stellt. Hunde bringen sich gegenseitig ununterbrochen auf bekloppte Ideen, geben einander Rückendeckung für schlechtes Benehmen, und erinnern einander immer wieder an ihren Inneren Welpen. Das ist einfach so, wenn man mehrere Hunde hat. Aber das beschreibe ich ein andermal.

 

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