Es mag manche von Ihnen überraschen, aber: Ich weiß jetzt, dass es ab einer gewissen Anzahl an Hunden schwer wird, sich gut um die einzelnen Hunde zu kümmern, falls man noch irgend etwas anderes im Leben schaffen möchte.
Ich finde ja: Ein Hund ist so gut wie kein Hund. Zwei bis vier Hunde sind für mich auch nicht der Rede wert. Fünf Hunde kann man gut bewältigen, selbst wenn einer davon ständig aus der Reihe tanzen sollte. Sechs und sieben ist etwas für Fortgeschrittene, und eigentlich nur zu schaffen, wenn wenigstens sechs von sieben einen anständigen Grundgehorsam haben.
Aber zehn Hunde sind eine Aufgabe, der man eigentlich nur begegnen kann, wenn man ein hervorragender Manager und Organisator ist, sehr diszipliniert und die eigenen Regeln aus dem ff beherrscht. Und das auch, wenn drei der zehn nur Gasthunde sind. Bei zehn Hunden kommt immer irgendeiner gerade auf dumme Ideen, bekommt der Duracell-Hund Barthl zu viele Gelegenheiten, einen der anderen Hunde zum Spielen oder Blödsinnmachen aufzufordern, kommt immer einer zu kurz oder glaubt zumindest, es wäre so, hat immer einer der Hunde schmutzige Pfoten und muss abgetrocknet werden, ganz zu schweigen von den Jagdsäuen, die die anderen Hunde, die bisher noch nie im Leben einen Gedanken an Hasen, Katzen oder Rehe verschwendet haben, mit ihrem Hobby anstecken.
Also macht man laaaaaaangsame Trödelspaziergänge, damit Adrenalin gar nicht erst hochzuwallen beginnt, man fummelt mit gesenktem Kopf im Gras am Wegrand herum und tut so, als gingen einen die Rehe auf dem Acker gar nichts an (obwohl der Neuzugang Aslan, von dem einem ursprünglich erzählt wurde, er habe keinerlei jagdliche Ambitionen, kreischend und heulend in der Leine hängt) und pfeift sich eins, um den Aufstand wieder herunter zu kochen.
Besagter Aslan macht sich übrigens hervorragend – nur meinen direkten Nachbarn, einen der gegenüblichen Sepps, findet er ganz besonders grauenvoll, was der ihm aber glücklicherweise nicht übel nimmt, sondern eben Abstand hält und entspannt mit uns weiter plaudert.
Andere Nachbarn findet er schon besser: Einer Nachbarin mit ihren beiden Enkeln, die hinter einer Senke wohnen, begegneten wir, als Aslan erst eine Woche hier war – damals brauchten wir eine halbe Stunde, um einigermaßen entspannt und ruhig an ihnen vorbei zu kommen – und auch nur, nachdem sich die drei auf einen Baumstamm gesetzt und brav ihren Blick abgewendet hatten. Am letzten Samstag trafen wir sie wieder, und diesmal blieb er einfach hinter mir stehen, obwohl die beiden Kinder – vier und zwei Jahre alt – um uns herum sprangen, mit Barthl Quatsch machten und Aslan ganz nahe kamen. Ihren Mann (auch ein Sepp, den Aslan beim ersten Mal gar nicht aushalten konnte. Das zweite Mal war schon besser, wobei er immer noch die ganze Länge der drei-Meter-Leine nutzte, um Abstand zu halten) findet er mittlerweile so ok, dass er mittlerweile an durchhängender Leine hinter mir stehen bleibt, wenn wir uns unterhalten. Das Gute ist, dass ich mich so gerne unterhalte und immerzu Leute anhalten und vom Rad oder Trecker springen, um mit mir zu „ratschen“, wie der Bayer sagt: So lernen meine Hunde zwangsläufig, dass sie um fremde Leute, Unterhaltungen und Stillstehen nicht herum kommen.
(Neulich meinte jemand, der einen Hund von mir übernommen hatte zu einer Freundin von mir, wie geduldig dieser Hund doch sei, wenn man sich auf der Straße mit jemandem unterhielte. Die Freundin meinte dazu nur: „Das ist etwas, was Katharinas Hunde bis zum Erbrechen üben müssen!“)
Für Aslan jedenfalls ist das nur gut. Vor zehn Tagen waren meine Verleger hier, und nach drei Stunden kam Aslan von sich aus, um sich kraulen zu lassen. Die beiden Hundesitter akzeptiert er sowieso längst (ohne sich allerdings wirklich anfassen zu lassen). Eine andere Freundin, meine Geschäftspartnerin und „Hausfotografin“ Nicole Munninger forderte er bereits nach einem Tag zu zusätzlichen Streichelleistungen auf – und nach einem weiteren Tag lag er in ihrem Bett. Nicht mal, als sie ihm im Rahmen von TTouch-Übungen eine Kopfbandage verpasste, damit er sich besser konzentrieren könne, ließ er sich erschüttern.
Tellington-Übungen machen ihm Spaß – alle TTouches sowieso (er ist unglaublich verschmust und liebt Berührungen aller Art), aber auch die Bodenübungen. Ich bin ziemlich sicher, dass Aslan nicht bei einem spanischen Jäger war. Er geht nur so halb gut an der Leine (und wenn die Hunde von Galgueros irgendwas können, dann ist es, an der Leine zu gehen) und scannt ununterbrochen die Gegend nach Jagbarem ab. Er ist dann nur wenig geneigt, darauf zu achten, ob er zieht oder über den Haufen rennt – und das kann ich leider nicht erlauben, wenn ich mit fünf und mehr Hunden an der Leine spazieren gehe.
Wir haben glücklicherweise genug Platz, um einen ganzen Boden-Parcours aufzubauen. Wir laufen durch ein Labyrinth, wir gehen über Cavalettis, damit er mal fühlt, dass und wo er überhaupt Hinterbein hat, wir gehen im Schritt und im Trab (und immer begleitet von der kompletten Meute, die das alles irre lustig finden und Aslan im Geiste anfeuern). Je mehr Hindernisse ein Hund zu bewältigen hat, desto kooperativer, stabiler und aufmerksamer wird er, weshalb diese Parcours großartig für alle nervösen, unsicheren, unkonzentrierten oder aggressiven Hunde sind.
Das Labyrinth ist eine fabelhafte Sache, denn durch die Stangen lernt der Hund, sich besser auf die Person zu konzentrieren, die ihn führt und auf feine körpersprachliche Signale zu achten. Außerdem sechs Hütchen zum Slalom-Laufen, ein paar Cavalettis, Stangen und ein „Stern“ aus sternförmig angeordneten Stangen, die einseitig auf einer Box liegen. Alle diese Hindernisse verbessern das Gangvermögen von Hunden (ich als altes Pferdemädchen sehe sofort, wenn ein Hund schlampig läuft oder gar schlurft), sie lernen, ihre Tritte zu kontrollieren und bekommen dadurch überhaupt ein besseres Körperbewusstsein. Der Slalom wiederum ist fabelhaft, weil der Hund sich wieder auf mich und auf die kleinen Hütchen konzentrieren muss. Immer wieder also: Auf mich konzentrieren, was eben für unsichere Hunde phänomenal ist und solche, die gelernt haben, sich zu entziehen, wenn ihnen etwas zu viel wird oder ihnen nicht passt, ohne dass man sie unter Druck setzt: Man hat ja Zeit, und im Gegenteil: Man läßt den Hund ganz langsam gehen, Schritt für Schritt: Je langsamer man geht und je mehr Pausen man einbaut, desto besser kann der Hund lernen. Wenn er stehen bleibt, um zu überlegen, dann bleibt man eben stehen. Wenn man aber ein genaues Bild im Kopf hat, wie das Ergebnis aussehen soll, macht man es dem Hund leichter. Außerdem lernt man einander durch diese Art der Arbeit fabelhaft kennen: Er zeigt einem ja andauernd mit seiner Körpersprache und seiner Mimik, was er denkt und wie er sich fühlt (wer es genauer wissen möchte, dem sei dieses Buch geraten: „Tellington-Training für Hunde“ vom Kosmos-Verlag).
Aslan findet sowas alles großartig. Er wundert sich ein bisschen, aber macht alles mit, ohne schlechte Laune zu bekommen – ich glaube, es ist in seinem Leben bisher sehr wenig mit ihm veranstaltet worden, weshalb er grundsätzlich auf alles neugierig ist. Die anderen Hunde traben bei solchen Übungen eifrig mit, teils, um sich wichtig zu machen, teils, um etwas von der Fröhlichkeit abzubekommen. In den Pausen dürfen sie dann ein bisschen zeigen, was sie alles können – Harry seine Hupfdohlen-Kunststücke, die anderen, was sie alles so können. Danach ist Aslan wieder dran.
Er ist ein fröhlicher und sehr bescheidener Hund. Er drängt sich nicht auf, er schläft dort, wo man ihm seinen Platz zuweist und versucht nicht, die anderen Hunde von ihrer Position zu verdrängen. Er liegt immer in meiner Nähe – jetzt gerade unter meinem Schreibtisch zu meinen Füßen, im Wohnzimmer entweder auf einer Decke auf dem Sofa an meinen Füßen, oder, falls da schon besetzt ist, auf einem Platz hinterm Sofa – direkt hinter meinem Rücken also. Er spielt großartig mit Nano, mit dem er in irrem Tempo durch den Garten rast, und natürlich auch mit Barthl – auch wenn das Spiel mit dem kleinen Duracell-Hund manchmal so aussieht, als würde er ihn mit einem Stofftier verwechseln. Aber Barthl scheint das Massaker-artige Spiel zu gefallen, wenn man ihn rettet, rennt er sofort zurück und schreit nach mehr.
Ansonsten machen wir mit Aslan nichts Besonderes. Er bekommt Bachblüten von mir: Aspen (für Hunde mit grundsätzlich ängstlichem Charakter und allgemein Angst vor vielen Dingen und Situationen), Mimulus (Angst vor ganz bestimmten, klar definierten Dingen) , Walnut (wenn der Hund stark unter Veränderungen leidet und deshalb nicht weiter kommen kann) und Larch (bei großer Schüchtern- und Unsicherheit) (wer mehr darüber wissen möchte: Ein sehr gutes Buch über Bachblüten-Therapie ist das von Alexandra Hoffmann). Außerdem duftet es im ganzen Haus wundervoll nach verschiedenen Aromaölen gegen Streß wie Bergamottöl, Geraniumöl, Kamillenöl, Lavendel, Melisse, Pfefferminze und Muskatellersalbei. Ich träufle etwa drei Tropfen in einen Ultraschall-Diffuser, der den Duft durch Wasserdampf verteilt. Gegen Angst und Unsicherheit bekommt er außerdem Schüßler Salze, nämlich Nr. 1, Nr 2., Nr 5,7, 11 und 12.
Ganz nebenbei sind diese Aromaöle wahrscheinlich auch der Grund, warum ich momentan wie ein Stein schlafe :).
Die anderen Hunde mögen ihn sehr, selbst Gretel, die alle fremden Hunde erst einmal durch tiefe emotionale Täler und Schluchten wandern läßt, bevor sie überhaupt in Erwägung zieht, ob sie sie akzeptiert, lässt Gnade walten und erlaubt ihm, in ihrer Nähe zu schlafen. Selbst Jack scheucht ihn durch den Garten und tut so, als wäre er schnell (er ist jedenfalls schneller als vorher, nachdem er so großartig abgenommen hat), und Aslan findet es fantastisch und rast in Achten um den schwarzen, arthrosegeplagten Hund herum, wirft Spielzeug durch die Gegend und grinst.
Womit wir zur nächsten Baustelle kommen: Jack.
Jack geht es großartig. Seine Haut ist fast vollkommen verheilt. Er stinkt nicht mehr (er riecht jetzt nur noch nach sauberem Hund, was Labradorleute nicht anders kennen, nur Windhundeleute haben fast vergessen, dass Hunde durchaus einen deutlichen Eigengeruch haben können 🙂 ), seine Haut ist nicht mehr trocken, und die Schuppen, die noch auftreten, haben mit dem Hauterneuerungsprozess zu tun. Es war sicherlich nicht nur die gezielte Pflege und Versorgung, die seiner Haut gut tat, sondern auch der Abenteuer-Aufenthalt und die riesige Sympathie, die ihm hier überall entegegen gebracht wird. Er hat hier einen echten Fanclub; für die benachbarten Bauern ist er ein Held des Alltags, der einem ungerechten Schicksal entkommen ist wie Phoenix aus der Asche. Am vergangenen Wochenende wurde hier der Mais gemäht, was bedeutet, das den ganzen Tag zehn verschiedene Traktoren an uns vorbei donnerten – und immer wieder hielt einer an und fragte, wie es eigentlich dem schwarzen Hund ginge. Der Jäger kam vorbei und brachte ihm – und nur ihm! – eine Rehkeule vorbei. Jack nimmt diese Aufmerksamkeiten mit freundlicher Selbstverständlichkeit hin, so, wie er auch die gemütlichsten Betten für sich entdeckt hat. Nano, der normalerweise Labradore und andere Retrieverarten für eine überflüssige Gattung hält, liebt ihn und spielt jeden Morgen ausgiebig das Krokodil-Spiel mit Jack (mit geöffnetem Maul eine Art Zahn-Fechten austragen, begleitet von merkwürdigen, an Walgesänge erinnernde Geräusche).
Aber die aller-, allerbesten Freunde sind und bleiben Barthl und Jack. Zwischen die zwei passt sozusagen kein Blatt, der eine macht nichts ohne den anderen: Eine echte Freundschaft. Manchmal sitze ich am Schreibtisch und sehe die beiden nebeneinander zum Nachbarsepp marschieren wie Pat und Patachon, wo sie auf dessen Hof ein wenig nach dem Rechten sehen, den Hofhund Arco ärgern (weil sie sich benehmen, als gehöre die Welt ihnen, und damit auch Arcos Hof), ein bisschen Kuhkacke oder Hufabschnitte fressen, die Katzen verscheuchen und dann wieder zurück kommen.
Es ist wahnsinnig rührend, diese Freundschaften zu beobachten. Auch wenn Barthl grundsätzlich ja ein Hans Dampf in allen Gassen ist und von vorneherein erst einmal alle toll zu finden scheint, unterscheidet er eben doch ganz genau. Er begrüßt zwar alle mit einem fröhlichen Wedeln, läßt sich aber längst nicht von allen anfassen, geschweige denn auf den Arm nehmen. Er hat auch eine intensive Freundschaft mit den Kaltblütern des Nachbarn: Üblicherweise stehen diese auf der Weide, die direkt an unseren Garten grenzt, nur jetzt gerade stehen sie unterhalb unseres Geländes. Gestern kamen wir auf unserem Spaziergang von oben den Weg herunter – und als Barthl die Pferde sah, raste er die zweihundert Meter zu ihnen, die ihrerseits aus der hintersten Ecke der Weide auf ihn zugelaufen kamen, wo sich die schweren Noriker und der winzige Hund glücklich begrüßten, als hätten sie sich seit Wochen nicht gesehen.
Den anderen Hunden geht es natürlich auch wundervoll. Amali ist gerade an der Nordsee und tröstet eine Freundin, deren Galga nach 15 Jahren eingeschläfert werden musste. Sie amüsiert sich an dem Privatstrand besagter Freundin und macht nicht den Eindruck, als würde sie uns auch nur im geringsten vermissen – wahrscheinlich, weil sie endlich mal Einzelprinzessin sein darf und rund um die Uhr auf Händen getragen wird. Pixel und Gretel kümmern sich um Barthls Erziehung – Pixel ist sehr streng, was Barthls Duracellhasen-Gebaren betrifft und versucht, dessen Selbstbewußtsein in normalen Bahnen zu halten. Gretel turnt mit ihm und unterrichtet ihn in Ringkampf, Nano tut so, als wäre Barthl ein notwendiges kleines Übel, das man irgendwie aushalten muss, wenn man an diesem ansonsten ganz netten Leben hier teilnehmen möchte. Er kann in der Tat auch anstrengend sein – er braucht deutlich weniger Schlaf als andere Hunde, möchte immer mittendrin sein, nagt alles an, verschleppt alles, was in seiner Reichweite liegt, ist eine hochbegabte Schreddermaschine und ist fest davon überzeugt, dass er ein Irischer Wolfshund ist. Der Grund, weshalb im Spiegel seine Beine nicht so lang aussehen ist der, dass der Spiegel eben nicht groß genug ist. Deswegen rast er auch Rehen hinterher, die in dreihundert Metern Entfernung stehen – auch wenn er natürlich auf Kehrum-Pfiff sofort kommt, aber dass er sich überhaupt die Mühe macht loszuspurten, ist bezeichnend für seine ansatzweise persönliche Überschätzung.
Langer Rede, kurzer Sinn: Uns geht’s gut. Echt.