Der Hühnerdieb

CIMG0805Überraschend ist es, dass auch Hunde das Gefühl haben, in den Ferien alle gesellschaftlichen Hüllen fallen lassen zu können. Vergangene Woche war ich mit den Pudeln Luise und Ida in Tirol unterwegs: Dort herrschte noch Tiefschnee, den ich den beiden Windspielen ersparen wollte, die innerlich mit dem Winter bereits abgeschlossen haben. Die Pudeltanten dagegen fanden es wundervoll, galoppierten elegant über die verschneite Wiesen, balgten sich photogen um gefrorene Stöcke, posierten anschließend graziös neben dem Hotelkamin und ließen sich anmutig von anderen Gästen das lockige Haar streicheln. Wenn ich angesprochen wurde, wie unerhört brav meine Hunde seien, lächelte ich selbstgefällig.
Spazierwege zu finden war nicht leicht, weil der Durchschnittstiroler nicht einfach spazieren geht, und der Durchschnittslangläufer auf den Loipen keine Hunde neben sich duldet, ähnlich wie Fahrradfahrer im richtigen Leben. Also hielten wir uns an die geräumten Straßen. Wenn wir an Bauernhöfen vorbei kamen, leinte ich die Pudel an, weil die schwarze Luise eine ähnliche Beziehung zu fremden Katzen hat wie Ida zu Kuhfladen: Zum Fressen gern nämlich. Wenn wir den Hof hinter uns gelassen hatten, durften sie wieder frei laufen, auch angesichts eines Holzhofs, der leer und verlassen aussah. Bis Luise um die Ecke plötzlich Leben entdeckte: Es fleuchte und gackerte, Federn flogen, ich brüllte, und Luise kam auch gleich zurück – allerdings hielt mein sonst so wohlerzogener Hund, den ich meist für mein besseres Selbst halte, ein Huhn im Maul, das nicht mehr ganz lebendig wirkte. Tief beschämt ging ich zurück zu dem davor liegenden Hof, um das Unglück zu beichten, als der aufgebrachte Bauer auf mich zu schoß und tobte, er würde sofort die Gendarmerie rufen. Keine Entschuldigung vermochte ihn zu besänftigen, bis ich erklärte, selbstverständlich würde ich das Huhn bezahlen – wohl wissend, dass noch kein Hund irgendwo auf der Welt ein Huhn gefressen hat, dessen Wert sich durch die Bluttat nicht prompt verdreifacht hätte und Tiroler außer Jodeln vor allem eines am Besten können: Touristen über den Tisch ziehen. Ich war trotzdem überrascht, dass der Bauer seinen Verlust mit €250 taxierte (auf dem Markt kostet ein Legehuhn ca €18) – deshalb, weil seine Hühner nun so traumatisiert seien, dass sie mindestens acht Wochen lang keine Eier mehr legen würden (für €250 bekommt man ca. 800 Eier, diese waren also eindeutig Ausnahmehühner), und außerdem würden die Federn, die das arme Huhn gelassen hatte, nun über die Wiese wehen (die noch tief verschneit war), beim Mähen (frühestens Ende April) würden dann die Federn ins Grünzeug geraten und wenn die Rinder das mitfräßen, würden sie alle sterben. Offenbar musste das Heu also handgekämmt werden, daher der Aufpreis. Insofern hatte ich Glück, dass ich nicht den ganzen Hof kaufen musste.
Wir lernen daraus, dass es auch in den Ferien ratsam ist, die gute Erziehung nicht zu vergessen. Es zahlt sich einfach nicht aus.

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vom 8.9.2013

vom 22.3.2009

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