Als gute Hundeführer (wem das zu martialisch klingt: Nennen Sie es Hunde-Eltern, Hundefreunde, Anführer) sind wir dafür zuständig, wie gut, wie schlecht und wie sicher sich unser Hund fühlt. Weil er sich an uns orientiert, müssen wir ihm ein Vorbild sein. Wir müssen ihm zeigen, wie er sich fühlen und dementsprechend verhalten soll. Das bedeutet: Wenn wir ängstlich, aggressiv, unsicher oder nervös sind, können wir von unserem Hund nicht erwarten, dass er anders reagiert (nicht umsonst gibt es ja den Ausdruck: „Wie der Herr, so’s G’scherr!“). Stimmung überträgt sich immer. Wenn Ihr Partner schlechtgelaunt nach Hause kommt, überträgt sich seine Stimmung sehr bald auf alle anderen. Wenn ein Kind einen Lachkrampf bekommt, ist es fast unmöglich, nicht mitzulachen. Wenn ein Film traurig ist, die Musik dazu passt und ein Hund sein Zuhause verliert, heulen wir sofort mit – außer, wir widerstehen dieser Stimmungsübertragung aktiv. Niemand zwingt uns, die schlechte Laune des Anderen zu übernehmen. Es gibt keinen Grund, sich die eigene Stimmung von jemandem, der einen auf der Straße anblafft, verderben zu lassen.
Genauso überträgt sich jede unserer Stimmungen unseren Hund. Es liegt ganz allein an uns, ob wir uns und unseren Hund unserer jeweiligen Stimmung ausliefern – oder ob wir sie aktiv ändern, damit wir einen gelassenen, entspannten Tag erleben.
Wenn wir einen aufregenden, hektischen Tag haben, „begehen“ wir meistens auch den Spaziergang entsprechend. Wir gehen etwas angespannter, etwas schneller, wir sind etwas ungeduldiger. Dementsprechend wird unser Hund wahrscheinlich auch eher aufgeregt durch die Gegend laufen, vielleicht andere Hunde ankläffen, Jogger und Fahrräder und jegliche „Sonderreize“ wie Kinderwägen, Skateboarder oder Leute mit Hüten erst recht.
Bringen Sie Ruhe in Ihren Spaziergang: Gehen Sie langsamer, trödeln Sie, atmen Sie bewusst langsam. Singen Sie ein Kinderlied. Kommen Sie `runter. Es geht nicht darum, Strecke zu machen, damit Sie und Ihr Hund ausgelastet werden: Ein Spaziergang soll Sie entspannen, nicht entnerven. Auch wenn das Langsamgehen Sie anfangs vielleicht wahnsinnig macht, weil Sie gewohnt sind, die Welt mit großen Schritten zu durchqueren: Wer weiß, vielleicht bekommen Sie ja plötzlich einen tiefenentspannten Blick für die kleinen Dinge im Leben – die Vögel, die Falter, die Mäusespuren im Schnee?
Wenn Sie ganz entspannt sind, Ihr Hund dagegen heute wie eine Rakete herumschießt, nehmen Sie ihn an eine drei Meter-Leine und gehen Sie wieder absichtlich gaaanz langsam. Wenn Sie z.B. einer Katze begegnen oder dem Lieblingsfeind Ihres Hundes, dem Hund von Gegenüber, bleiben Sie stehen, drehen Ihre Schultern weg von dem jeweiligen Feindbild, also gezielt von dem jeweiligen Reiz weg, und machen – nichts. Denken Sie an etwas unglaublich Langweiliges: eine besonders fade Hochzeitsrede vielleicht, oder die Neujahrsrede eines Politikers, oder eine miserable Teewurst-Werbung. Wenn Ihr Hund von Ihnen nämlich keine Bestätigung seiner Aufregung bekommt, wird das Ganze gleich viel weniger wichtig (Sie kennen das vielleicht von Ihrer Schwiegermutter). Warten Sie mit dem Weitergehen ab, bis er wieder „’runtergekommen“ ist. Dann wird er nämlich diesen letzten ruhigen Eindruck von diesem Ort mitnehmen. Bei Hunden zählt der letzte Eindruck mehr als der erste, was bedeutet: Er wird das nächste Mal, wenn Sie an dieser Stelle vorbeikommen, nicht gleich wieder in die Anspannung von neulich verfallen und die Katze suchen oder den blöden fremden Hund.