Dominanz, Hierarchie und Beziehung

Dog show in Morro Bay, 10 May 2009.  Best of Bay Pooch Pageant

Man hört immer noch und immer wieder viel über die „Dominanz“ eines Hundes, darüber, dass man „Alpha“ über den Hund werden muss, dass ein Hund versucht, einen „zu dominieren“, wenn er einen anspringt, wenn er beißt, wenn er auf das Sofa springt. In bestimmten Kreisen wird das Wort „Dominanz“ für jedes unangenehme, unangebrachte oder unerwünschte Benehmen eines Hundes angewandt. Das traurige daran ist, dass diese Begriffe inflationär angewendet werden und wirklich nichts, aber auch gar nichts über den Hund oder die Beziehung zwischen Hund und Mensch aussagt.

Werbeanzeige

Um es mal gleich vorneweg zu nehmen: „Dominanz“ ist zwar tatsächlich ein Teil sozialer Interaktion, genau wie Unterwürfigkeit. Es ist aber keine Charaktereigenschaft. Der Status eines Hundes ist eine fließende Angelegenheit, wie jeder täglich beobachten kann, der mehrere Hunde hält: Manche Hunde sind möglicherweise „tonangebend“ im Haus und nehmen sich dort alle möglichen sozialen Freiheiten heraus, sind aber ganz und gar nicht souverän und sicher, sobald sie draußen im Wald sind – dort übernimmt dann ein anderer Hund.Natürlich gibt es so genannte „Kopfhunde“, wie der Jäger das nennt, Anführertypen, Charismatiker, die ausgesprochen lösungsorientiert an alles herangehen, was sich ihnen in den Weg stellt (und sei es der geschlossene Kühlschrank). Aber „Dominanz“ ist kein Persönlichkeitsmerkmal.Im Übrigen sind viele Tiere überhaupt nicht daran interessiert, die „dominante Position“ oder „Alpha-Position“ zu übernehmen, denn diese Position der Leittiere beinhaltet deutlich mehr Pflichten als Rechte – gar nicht so begehrenswert, wie es scheinen mag.

Manche Leute behaupten, man müsse der „Alphahund“ werden, sich selbst also in der „Hierarchie“ zwischen Hund und Mensch an an oberste Stelle stellen. Hier ist schon der erste Denkfehler: Hunde wissen, dass wir keine Hunde sind. Sie sind ja nicht blöd. In der Mensch-Hund-Beziehung besteht keine soziale Rangordnung. Tatsächlich bewegen wir uns wahrscheinlich nur periphär in ihrer sozialen Gruppe: Wir Menschen sind so unglaublich schwerfällig (wenn nicht geradezu unfähig) darin, die subtilen sozialen Signale unserer Hunde zu verstehen, dass Hunden im Laufe der Evolution sogar ein Großteil der wölfischen Mimik verloren gegangen ist, weil sie ihnen nichts nützt: Wir Menschen kapieren sie einfach nicht. Wir sind auch so hundsmiserabel im Nachmachen dieser Signale, dass ich glaube, Hunde haben schon vor langer Zeit den Glauben aufgegeben, wir Menschen stünden mit ihnen auf gleicher sozialer Ebene.
Aber weil wir die „Ersatzeltern“ unserer Hund sind, müssen wir auch eine Vorbildfunktion haben und soziale Kompetenz ausstrahlen. Dies tun wir nicht, indem wir unsere Hunde ständig maßregeln, kontrollieren und womöglich noch Gewalt anwenden, indem wir sie treten, würgen oder herumzerren: Stattdessen müssen wir ihnen Wissen und Lebenserfahrung – Führungskompetenz – vermitteln. Wir leben in einer menschlichen Welt mit ihnen, deren Werte, Regeln und Gefahren wir besser verstehen, als sie: Natürlich müssen wir die Entscheidungsträger sein. Als Hundehalter hat man die Pflicht, das soziale Miteinander in den Vordergrund unseres Zusammenlebens zu stellen und eine vertrauensvolle Beziehung zu unseren Hunden aufzubauen. Die Leittiere in einer Wolfs- oder Hundegruppe sind sehr stark am sozialen Geschehen und an der Harmonie in der Gruppe interessiert.

Dagegen werden wir nichts erreichen, wenn wir versuchen, der „Alpha Hund“ zu werden – nur, dass unsere Hunde eingeschüchtert und unsicher werden.

Anstatt sich dauernd über sozialen Status und Hierarchien Gedanken zu machen, sollte man sich lieber auf die Manieren seines Hundes konzentrieren. Sie, der Mensch sind doch für die guten Dinge im Leben Ihres Hundes zuständig – Futter, Aufmerksamkeit, Liebe und Abenteuer -, also bringen Sie ihm bei, Ihnen höfliches Benehmen (Sitz, Platz) anzubieten, um diese guten Dinge auch zu bekommen. Tatsächlich funktioniert jede gute, stabile soziale Beziehung zum Hund über Achtung und Respekt, nicht über Dominanz.
Wenn Sie geschickt genug sind, Ihren Hund freiwillig und gerne dazu zu bringen, Ihnen achtungs- und respektvoll zu begegnen, ganz ohne den Einsatz von Druck, Aggression und/oder Gewalt, dann werden Sie Ihre soziale Multi-Spezies-Gruppe sanft und behutsam beherrschen.

Teilen Sie diesen Beitrag!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert