Epilepsie beim Hund: Ursache und Behandlung

Man nennt sie auch „Gewitter im Gehirn“: Die Epilepsie. Wie beim Menschen gehört die Epilepsie beim Hund zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Etwa 5% aller Hunde sind davon betroffen: Es sind keine bestimmten Hunderassen, die besonders gefährdet zu sein scheinen, aber natürlich fällt auf, dass vermehrt gerade die Rassen an Anfällen leiden, die momentan sehr in Mode sind, will heißen: Die zur Zeit gerade in großer Zahl gezüchtet werden. So waren es Ende der 70er Jahre vor allem die Cocker Spaniel, die unter Epilepsie zu leiden schienen, später die Irischen Setter, dann die Pudel, dann die Collies, heute sind es eher Golden – und Labrador Retriever, die an Epilepsie erkrankt sind. Das Problem mit Moderassen ist eben auch in diesem Fall, dass die Nachfrage so groß ist, dass manche Züchter sich keine Zeit nehmen, in ihrem Nachwuchs das Auftreten von Erbkrankheiten zu beobachten, um eben beispielsweise Träger einer eindeutig vererbten Form der Epilepsie von der Zucht auszuschließen. Hinzu kommt, dass sich beim Hund die Epilepsie meist erst im Alter von ein-bis vier Jahren oder noch später manifestiert.

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Unter Epilepsie versteht man ein wiederholtes Auftreten von Krampfanfällen. Im Gehirn finden plötzliche, meist kurze elektrische Entladungen statt, die zu Funktionsstörungen führen. Die Hunde fallen plötzlich um und verlieren häufig das Bewusstsein, während sich ihr ganzer Körper verkrampft. Manchmal bellen oder winseln sie dabei, verlieren Harn oder Kot, kauen oder rennen. Bei manchen Tieren setzt zeitweise die Atmung aus. Es gibt auch weniger dramatische Erscheinungsformen, die durch herd-förmige Entladngen im Gehirn bedingt sind, wie ein wiederholtes Zucken der Augenlider oder Gliedmaßen, Muskelzittern oder ein vehementes Schnappen nach nichtvorhandenen Fliegen, etc. Die Dauer eines epileptischen Anfalls liegt meistens bei einer halben bis zwei Minuten. Hinterher sind die Hunde oft sehr erschöpft, stehen dann wackelig auf und machen einen etwas desorientierten, manchmal sehr ruhelosen Eindruck: Am besten bringt man sie nach einem Anfall in einem ruhigen, abgedunkelten Raum unter und bleibt noch eine Weile bei ihnen, bis sie wieder zur Ruhe gekommen sind.

Die Krankheit Epilepsie kann auf verschiedenen Faktoren beruhen: Erblichen oder genetischen Faktoren etwa (die so genannte „primäre“ , „idiopathische“ oder „echte“ Epilepsie). In eine andere Kategorie gehören Anfälle, die durch Hirnveränderungen wie Narben, Tumore, eine – auch längst überstandene – Hirnerkrankung wie etwa Staupe ausgelöst werden. Manche Hunde können auch aufgrund von Unterzuckerung oder Vergiftungen einen Anfall erleiden. Eine weitere, sehr seltene Variante ist die Alters-Epilepsie. Man spricht in diesen Fällen von der „sekundären“, „symptomatischen“ oder „erworbenen“ Epilepsie.

Für eine effektvolle Behandlung ist es unbedingt notwendig herauszufinden, in welche Kategorie die jeweiligen Anfälle gehört.

Gerade dies macht Epilepsie auch zu einer schwierigen Krankheit für Tierärzte: Denn die wenigsten bekommen je einen epileptischen Anfall beim Hund zu sehen – auf dem Behandlungstisch passieren sie praktisch nie. Tierärzte sind in der Diagnose des Anfalls-Typs vollkommen abhängig vom Bericht des Hundebesitzers der, vor allem, wenn er einen Anfall zum ersten Mal erlebt, oft erschreckt und verstört reagiert und nur selten genaue Beobachtungen wiedergeben kann. Die Berliner Tierärztin Professor Dr. Schwartz-Porsche, die sich seit den 70er Jahren auf die Behandlung von Epilepsie spezialisiert hat, rät Hundebesitzern, sofort nach dem Anfall aufzuschreiben, was gerade passiert ist: „Jedes Detail, so nebensächlich es auch erscheinen mag, den ganzen Verlauf des Anfalls, was dem Anfall vorausgegangen ist, ob und welche Medikamente der Hund bekommt – alles, was dem Besitzer dazu einfällt.“ Besonders hilfreich ist es für den Tierarzt, wenn man so geistesgegenwärtig ist, eine Videoaufnahme von dem Anfall zu machen – was man aber natürlich meistens erst schafft, wenn man schon mit Anfällen rechnen muss und die Kamera bereit legen kann. Ansonsten ist es besser, beim Hund zu bleiben und ihn genau zu beobachten.

In der Diagnose muss auch zwischen den verschiedenen Anfalls-Typen unterschieden werden. Bei so genannten einfach fokalen Anfällen verliert das Tier nicht das Bewusstsein, während einzelne Gliedmaßen oder Muskelgruppen zucken oder sich eine Gesichtshälfte verkrampft. Bei komplexen fokalen Anfällen kann man beim Hund eine vorübergehende Verhaltensstörung bemerken, er starrt minutenlang an die Wand, schnappt plötzlich nach Fliegen, die nicht da sind, heult oder bellt unvermittelt. Diese Anfälle können schwer als solche einzuordnen sein.
Bei den primär generalisierten Anfällen kommt es gewöhnlich zu einem totalen Bewusstseinsverlust, weil eine gleichzeitige Entladung beider Großhirnhälften stattfindet. Dazu gehören die generalisierten tonisch klonischen Anfällen, bei denen das Tier mit starken Muskelzuckungen umfällt, die in Laufbewegungen übergehen können, häufig begleitet von starkem Speicheln, oder Kieferschlagen. Manche Hunde können einen Anfall vorher spüren: sie verstecken sich, sind sehr unruhig, ängstlich, oder suchen bei ihrem Besitzer Schutz. Nach den Anfällen sind die meisten Hunde sehr erschöpft und orientierungslos, andere sind unglaublich hungrig oder durstig, und man muss aufpassen, dass sie nicht einfach wahllos Fremdkörper in sich hineinstopfen.
Während der tonischen Anfälle wird das Tier ganz steif, die gesamte Muskulatur verkrampft sich, oft mit festem Kieferschluß. Diese Anfälle können deutlich länger als ein, zwei Minuten dauern.

Gewöhnlich treten epileptischen Anfälle aus dem Schlaf heraus auf, in Ruhephasen oder wenn der Hund gerade aufwacht: Auch das ist ein wichtiges Detail, denn andere Anfälle, die beispielsweise aus einer Unterzuckerung oder aufgrund von Herzrythmusstörungen entstehen, passieren eher aus einer Belastungs-Situation heraus. „Der Ursprung eines solchen Anfalls liegt außerhalb des Gehirns, wirken sich aber auf den Hirnstoffwechsel aus und führen so zu Anfällen“; so Professor Schwartz-Porsche. „Ein solcher Fall ist nur schwer von einer Epilepsie zu unterscheiden, muss aber anders behandelt werden. Auch Vergiftungen können zu Anfällen führen.“

Nach einem ersten Anfall sollte ein Hund noch nicht behandelt werden, „man sollte immer zwei bis vier Anfälle abwarten“, so Professor Schwartz-Porsche. Anlaß zu übermäßiger Sorge ist auch das noch nicht: „Bei einzelnen Anfällen treten kaum Nervenzellverluste auf, der Hund stirbt auch nicht daran.“ Wenn die Anfälle häufiger werden, müssen sie behandelt werden, damit sie sich nicht „einbahnen“, wie man das fachsprachlich nennt. Erst bei einem Anfall, der länger als 20 Minuten dauert oder sich so häufig wiederholt, dass der Hund zwischen den einzelnen Anfällen gar nicht erst wieder zu sich kommt, liegt ein „Status epilepticus“ vor, bei dem der Tierarzt umgehend mit einer Notfallbehandlung eingreifen muss.

Einem Hund mit Epilepsie ist nur mit einer medikamentösen Langzeittherapie zu helfen. Geheilt wird der Hund durch diese Medikamente nicht: Sie können nur das Auftreten bzw. die Schwere Häufigkeit und Dauer der Anfälle unterdrücken oder mindern, ohne dabei die Lebensqualität des Hundes einzuschränken.
Denn darin liegt für viele Besitzer zu Anfang das Problem. Es gibt von den vielen für den Menschen erhältlichen Antiepileptika nur wenige, die als Dauertherapie für den Hund geeignet sind. Die üblich eingesetzten Medikamente sind: Phenobarbital (enthalten in Luminal oder Luminaletten), Primidon (enthalten z.B. in Liskantin, Mylepsinum oder Resimatil), oder Kaliumbromid (meist als Zusatztherapie).
Als Notfallmedikament wird Diazepam rektal verabreicht.
Die Dosierung dieser Medikamente scheint im Vergleich zur menschlichen Dosis sehr hoch, so dass man oft vom Apotheker Kommentare zu hören bekommt, die den unbedarften Hundebesitzer leicht verunsichern können. Tatsache ist: Hunde bauen viele Medikamente weit schneller ab, als der Mensch, so dass keine antiepileptischen Konzentrationen eines Wirkstoffs im Gehirn erzielt werden kann, wenn die Dosierung nicht entsprechend hoch ist. „Verwirrend ist es auch, wenn Hundebesitzer untereinander die Dosierungen vergleichen“, meint Professor Schwartz-Porsche. „Die für eine erfolgreiche Therapie benötigte Dosis kann bei einzelnen Hunden ganz unterschiedlich sein. “ Schwierig ist auch, dass viele Hundehalter sich von den anfänglichen Nebenwirkungen irritieren lassen: „Diese Medikamente haben alle eine sedierende Wirkung, d.h., die Hunde sind am Anfang der Therapie sehr müde – häufig sind die Besitzer ganz entsetzt und werfen die Tabletten weg.“ Dabei gewöhnt sich der Organismus bald an das Mittel, nach etwa drei Wochen verliert sich die Müdigkeit. „Oft schleicht man sich in die Therapie ein, was bedeutet: Man beginnt mit einer niedrigen Dosierung und erhöht sie langsam“, erklärt Professor Schwartz-Porsche. „Aus Angst vor den Nebenwirkungen erhöhen die Hundebesitzer eine niedrige Dosierung häufig nicht, oder sie reduzieren die Dosis wieder, sobald die Anfälle weniger geworden sind.“ Eine solche „Schaukeltherapie“ kann nicht erfolgreich sein, stattdessen aber zu Entzugskrämpfen führen.

Tatsächlich sollten bei der Gabe von Antiepileptika die Leberwerte regelmäßig kontrolliert werden: Phenobarbital und Primidon werden über die Leber abgebaut, die massive Arbeit leisten muss und dadurch leichter geschädigt werden kann. Hunde, die Antiepileptika bekommen, sollten zur Entlastung der Leber fettarm ernährt werden. Das alles ist, im Verhältnis zur Schwere der Krankheit, kein Grund zur Beunruhigung. Hunde „leiden“ nicht unter ihrer Epilepsie, sie merken von ihren Anfällen wenig. Es belastet sie eher, wenn ihr Besitzer an der Situation verzweifelt. Epilepsie ist kein Grund, einen Hund einzuschläfern – mit der richtigen Therapie kann ein epileptischer Hund ein langes, fröhliches Leben anfallsfrei oder mit weniger Anfällen führen. Es ist vor allem der Mensch, der unter der Epilepsie und ihrer Erscheinungsform leidet: Ein epileptischer Anfall beim Hund ist für den Menschen, der ihm zusehen muss, viel traumatischer, als für den Hund selbst.

„Richtig behandelt, können Hunde trotz Epilepsie lange leben“, sagt Professor Schwartz-Porsche. „Ich habe in meiner Praxis auch einige Polizei-, Zoll- oder Rettungshunde behandelt, die noch jahrelang ihren Job weiter gemacht haben. Bei einer optimalen Therapie wird die Lebenserwartung der Tiere kaum beeinträchtigt – Therapien, die über zehn Jahre gehen, sind durchaus möglich.“ Nur schwimmen erlaubt sie ihren Patienten nicht: „Wenn die Hunde einen Anfall im Wasser haben und zappeln, bekommt der Besitzer den Hund nicht mehr aus dem Wasser.“
Wobei ein Schwimmverbot in diesem Fall doch ein verhältnismäßig geringer Preis ist – für einen im Prinzip vergnügten und lebenslustigen Hund.

— Ein einzelner epileptischer Anfall endet nicht tödlich, und es treten dabei auch kaum Nervenzellverluste auf. Nur bei Anfällen, die sich so häufig wiederholen, dass der Hund zwischen den Anfällen das Bewusstsein nicht wieder erlangt, oder die länger als 20 Minuten dauern, liegt eine lebensbedrohliche Situation vor, die sofort vom Tierarzt behandelt werden muss.

— Lassen Sie Ihren Hund während des Anfalls in Ruhe. Sie können den Anfall nicht abbrechen oder verkürzen. Streicheln und beruhigen Sie den Hund anschließend.

— Ihr Hund spürt während des Anfalls keine Schmerzen, und hat auch hinterher keine Ahnung, dass ihm etwas „passiert“ ist. Er ist nur sehr erschöpft.

— Sorgen Sie nach dem Anfall für absolute Ruhe, auch wenn der Hund selbst sehr unruhig ist. Lassen Sie ihn in einem abgedunkelten Zimmer.

— NICHT ins Maul fassen, auch wenn der Hund seine Zunge zerkaut. Er könnte versehentlich grauenvoll zubeißen, und krampft im Anfallsmoment so sehr, dass er nicht loslassen kann.

— Stecken Sie dem Hund auch nichts ins Maul, wenn Sie Pech haben, verletzen Sie ihn zusätzlich schwer.

— Manche Hunde sind nach einem Anfall extrem hungrig und/oder durstig; achten Sie unbedingt darauf, dass er keine Fremdkörper oder Unverdauliches aufnimmt.

— Wenn der Tierarzt Medikamente verschrieben hat, halten Sie sich unbedingt an die Dosierungsangaben. Hunde bekommen im Verhältnis zu Menschen eine sehr hohe Dosis des Medikaments, worüber Apotheker sich gewöhnlich wundern. Eine zu niedrige Dosierung ist unwirksam, eine Dosierung, die mal erhöht, dann wieder reduziert wird, kann zu Entzugskrämpfen führen.

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