Wo geht’s lang?

Bis vor einigen Jahren war man in der Hundeerziehung der Meinung, strenge Hausregeln wären die Haupt-Voraussetzung für die Hierarchie zwischen Mensch und Hund. Wenn der Hund zuerst durch die Tür ging oder auf dem Sofa lag, galt dies als Zeichen für das Bestreben des Hundes, die Herrschaft über Haus und Hof zu übernehmen. Sobald ein Hund besonders aktiv ist, sich widersetzt oder nicht gehorcht (weil er evtl. nicht versteht, was der Mensch von ihm verlangt), wird er als „“dominant“ bezeichnet. Die Wahrheit ist: Die meisten Hunde, die „“dominant“ genannt werden, haben vom Menschen nie gezeigt bekommen, wie eigentlich die Regeln sind. Sie sind schlicht nicht erzogen. Hunde befinden sich mit dem Mensch nicht in einem Wettbewerb, die Weltherrschaft (oder auch nur die Herrschaft über den eigenen Haushalt) zu übernehmen. Solche Ziele verfolgen nur Menschen. Was soll ein Hund, der keine klare Anleitung bekommt, denn anderes machen, als „sein „eigenes Ding“? Wenn der Mensch dem Hund nicht zeigt, wo’s lang geht, sucht er sich seinen Weg eben selber – aber deshalb ist er noch lange nicht „dominant. Im Gegenteil: Normalerweise ist er gestresst und überfordert, weil er in dieser Welt, die nach menschlichen Regeln läuft und für Tiere nicht zu verstehen ist, die Führung am allerliebsten abgeben würde.
Neulich erklärte mir jemand, sein Hund dürfe bei Spaziergang immer nur an der Leine bei Fuß gehen, denn wenn der Hund voraus liefe, dann wäre der Hund ja der Anführer, nicht der Mensch. Wie bitte? Ist man ein guter Chef, weil man am Kopfende des Tisches sitzt – oder weil man seine Mitarbeiter zu gutgelaunter Mitarbeit motivieren kann? Bei mir zuhause ist die Pudelin Luise der „“dominante“ unter den Hunden. Sie ist eine echte Führungspersönlichkeit – die anderen Hunde richten sich, wenn ich es zulasse, nach ihr. Luise knurrt nicht, Luise maßregelt nicht, Luise bellt nicht einmal (sie läßt bellen). Luise geht bei Spaziergängen keineswegs vorne, meistens stattdessen neben oder hinter mir. Voraus läuft gewöhnlich Harry, der den schwächsten Status in dieser Gruppe hat. Aber wenn Luise umdreht, drehen alle anderen Hunde auch um. Allerdings dreht Luise erst um, wenn ich umdrehe.
Auch ein Hund, der aufs Sofa darf, hält sich deshalb nicht gleich für den Haushaltsvorstand. In der Natur darf ein Wildhund durchaus auf einem privilegierten Ruhe- oder Aussichtsplatz liegen, wenn der Chef gerade nicht daran interessiert ist. Beansprucht der aber den Platz für sich, muss er wieder geräumt werden: So einfach ist das.
Hunde lernen anders als Menschen. Aber Einiges haben sie gemeinsam: Beide „funktioniere“ besser unter Motivation und in Team-Arbeit als mit Angst, Druck und Maßregeleien. Damit sich der Hund am Menschen orientieren kann, muss der ihm fröhlich zeigen, wo es langgeht. Probieren Sie es mal.

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bildvom 28.4.2013

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