Gewisse Menschen bekommen gewisse Hunde. Mit Zufall hat das nichts zu tun. Eher mit der Lebensphase und persönlichen Baustellen
Ich glaube, dass Hunde aus bestimmten Gründen im Leben bestimmte Menschen landen. Es ist oft leichter, die Botschaften anzunehmen, die einem Hunde vermitteln, als sie von anderen Menschen anzunehmen. Das liegt vielleicht daran, dass meisten Menschen in der Lage sind, ihre Hunde so direkt und unkompliziert zu lieben, wie sie es bei Familie oder Freunden nur selten zulassen. Ihre Hunde enttäuschen sie nicht, oder wenn doch, können sie das bald wieder vergessen und verzeihen. Ich wollte immer lernen, auf die Art zu lieben, wie wir unsere Hunde lieben und sie uns: Mit Selbstverständlichkeit, totaler Offenheit und völliger Amnesie, was Fehler des anderen angeht. Ein Zen-Priester erklärte mir einmal, näher würde ich der Lehre von Buddha kaum kommen.
Nach meinen Erfahrungen bekommt jeder genau den Hund, den er verdient. Oder braucht. Wenn man das verstanden hat, muss man an den Schwierigkeiten, die manche Hunde machen, nicht zu verzweifeln, sondern die Aufgabe ganz pragmatisch lösen. Als Teenager hatte ich völlig problemlose Hunde. Das lag ganz sicher daran, dass ich auch gar keine Zeit gehabt hätte, „richtige“ Hundeprobleme zu lösen. Zwischen 14 und 20 war mein Leben schwierig – aber ich hatte einen Hund, auf den ich mich 100 prozentig verlassen konnte: Elsa, einen Mischling aus Husky und Setter, der großartig gehorchte, immer und überall dabei war, keine Allergien hatte und auch sonst keine Probleme. Die hätte ich auch kaum gebrauchen können, ich musste Abitur machen, die Welt erobern und herausfinden, wo mein Platz in dieser Welt war. Elsa verlieh mir eine Sicherheit, mit der mir das alles leichter gelang, sie verteidigte mich, wenn es darauf ankam, und ich kann mich nicht erinnern, dass sie auch nur einen Fehler gehabt hätte. Sie bewahrte mich davor, einen Karriereweg einzuschlagen, der mich, wie ich heute weiß, nicht froh gemacht hätte. Ich hätte sie nicht mit ins Büro mitnehmen dürfen, deshalb kam für mich der Job nicht infrage. Stattdessen mache ich mit Erik Zimen auf den Weg in die Abruzzen, um mir Wölfe genauer anzusehen. Ein besserer Plan. Elsa kam mit.
Natürlich versteht man nicht immer gleich, was man gerade von diesem Hund lernen kann. Vor Kurzem sprach ich lange mit einer Dame, deren vier Kinder mehr oder weniger aus dem Haus sind und schon lange machen, was sie wollen. Aber erst jetzt, an ihren beiden Hunden erkannte sie plötzlich, wie schwer es ihr fällt, Strukturen vorzugeben und einzuhalten, dass sie keine Grenzen setzen kann und Probleme lieber weg lacht. Was sie ihr Leben lang mit ihrer Familie irgendwie hinbekam, klappte bei ihren Hunden nicht: Lachen nützt nichts gegen Verhaltensausffälligkeiten. Sie musste auf einmal tatsächlich handeln und den Problemen auf den Grund gehen.
„Zeige mir deinen Hund, und ich sage dir, wer du bist“ ist nicht immer das Bild, das einem gefällt. Hunde können die eigenen Grundfeste erschüttern.
Aber ich habe auch Leute erlebt, die sich auf dem Zenit ihrer Karriere den ersten Hund zulegten – und plötzlich freundlicher, flexibler und verzeihender, letztlich: bessere Manager wurden. Ihr Hund hatte ganz ohne Absicht ihre Schwächen als Führungskraft entlarvt (abgesehen davon, dass diese Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben gezwungen waren, tatsächlich auf die Bedürfnisse eines anderen Wesens einzugehen, zu dem man nicht einfach sagen konnte: „Schatz, ich komme heute später!“).
Mit meinem zunehmendem Wissen über Hunde wurden die Hunde, die bei mir landeten, komplizierter. Der eine entwickelte Futter-Unverträglichkeiten und zwang mich schon vor 20 Jahren, mich mit der Zusammensetzung von Hundefutter auseinander zu setzen. Ein anderer ließ sich von meinen Stimmungen so leicht aus seinem Konzept bringen, dass ich Gelassenheit lernen musste. Das alles war Pillepalle im Vergleich zu dem, was mein Windspiel Harry mir beibrachte – er brachte meine Grundfeste praktisch zum Einsturz. Er kam mit einer echten Angststörung zu mir. Fast nichts, was ich bisher gelernt hatte, funktionierte bei ihm. Harry brachte mich dazu, alles zu überdenken, was ich über Hundeerziehung wusste. Er war schon der 15. oder 16. Hund meines Lebens, und er kam nicht zu früh: Vorher wäre ich an ihm gescheitert. So aber bekamen wir einander hin.
Ich habe gelernt, meinen Hunden zuzuhören. Gerade schreibe ich mit einer Freundin ein Buch über etwas, was ich mein Leben lang jedem meiner Hunde mit „Links“ beigebracht habe: Das Laufen ohne Leine, auch bei Rassen, die sich gerne vom Ruf der Wildnis ablenken lassen. Und jetzt raten Sie mal – mein Galgo Nano, der ein Jahr lang genau tat, was ich von ihm erwartete, beschloss gerade noch rechtzeitig, mich auf ein paar Schwächen einiger Kapitel hinzuweisen – und zwar mit allem Nachdruck.
Jeder bekommt den Hund, den er verdient. Man muss nur hinhören.
Stimmt. Von und mit jedem Hund lernt man was.