Gruppendynamik

Frage: Hallo Katharina,

ich verfolge nun schon seit Wochen deinen Blog und ganz besonders die Infos zu klein Max.

Der Grund warum ich dir schreibe,…meine Frage waere: hattest du nie Angst das die anderen im Rudel ihn mobben koennten? Oder eben aus Unsicherheit/Fehlinterpretation seines Verhaltens…zu groben Spiels,..
das Max etwas passieren koennte?

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Selbst habe ich 2 Hunde und ebenfalls schon oft mit dem Gedanken gespielt einen dritten von einer Nothilfe ins Haus zu holen, da ich aber auch arbeiten muss, waere ich mir nie sicher was passiert mit dem neuen Hund wenn ich nicht da bin? Und fuehlen sich meine beiden nicht zurueckgesetzt/Eifersucht..oder eben mobbing gegen den bzw. die Neue…
Das waere dann ja auch kein Leben fuer den neunen, den dritten im Bunde.

Vielleicht kannst mir ja deine Erfahrung mitteilen…?

Regards

Stefan

Lieber Stefan,
gute Frage! -deshalb möchte ich sie gerne „öffentlich“ beantworten – weil das Thema interessant ist.
Sobald zwei oder mehr Individuen miteinander umgehen, entwickelt sich eine Gruppendynamik. Um eine gute Beziehung zu seinem Hund zu haben, ist es sehr wichtig, dass man eine wirklich gute Gruppendynamik herstellt. Je größer die Gruppe, desto wichtiger ist es, dass man die Gruppendynamik im Auge behält, damit jeder weiß, wo sein Platz in der Gruppe – und im Haus ist.

Dazu gehört auch, dass jedes Gruppenmitglied- ich, jeder Hund, jeder andere Mensch – genau weiß, was seine Privilegien und seine Resourcen sind. Konflikte entstehen erst, wenn ein Gruppenmitglied (oder mehrere) der Meinung ist, ihnen stünden mehr Privilegien zu als den anderen. Die klarste Lösung für dieses Dilemma ist ein Anführer, der die Privilegien und Resourcen der anderen im Griff hat. Dieser Anführer muss sich seine Position so erarbeiten, dass die anderen Mitglieder der Gruppe ihn respektieren und ihm gerne folgen.

Ich bin offensichtlich eine Alpha-Bitch. Ich bin groß, stehe sehr gerade und bin Wiederworten gegenüber nur bedingt aufgeschlossen – ich wirke selbst auf meine Mitmenschen ziemlich dominant (mache das aber durch Nettigkeit wett). Ich mache sehr klare Ansagen, was ich möchte und was nicht, weshalb meine Hunde oder die, mit denen ich zu tun hatte, offenbar meistens von vorneherein das Gefühl hatten, ich wüßte offenbar ganz gut, wo’s langgeht – also könne man sich mir ja erst einmal unterordnen. -Allerdings muss ich mir diesen Status im Laufe der Zeit immer wieder erarbeiten bzw. immer wieder beweisen, dass ich in dieser Hinsicht vertrauenswürdig bin. Teil meiner „Anführer“-Verantwortung ist nicht nur das Management über alle Resourcen – Futter, Spielsachen, wer wo schläft -, sondern meine Hunde wissen auch, dass alle Verwaltungsentscheidungen von mir getroffen werden. Ich respektiere den Status meiner Hunde, füttere sie in der richtigen Reihenfolge und räume verschiedenen Hunden verschiedene Privilegien ein, deshalb muss sich auch niemand selbst darum kümmern, wer was wann darf. Nicht alle Regeln wirken gerecht, aber trotzdem kann sich jeder sicher fühlen. Meine Hunde kommen nicht auf die Idee, ihrerseits Resourcen zu beanspruchen, die ihnen nicht zustehen. Deshalb wird hier auch kein neuer Hund gemobbt, weder ein Welpe, noch ein Besuchshund: Ich habe beschlossen, dass der andere Hund/Mensch/Kind/Kanarienvogel zu Besuch kommt, also ist das so. Kein anderer Hund wird dadurch in seinen Resourcen (Aufmerksamkeit, Futter, Spielzeug) beschnitten.
Der Schlüssel zur Gruppenharmonie liegt darin, dass alle in der Gruppe ihren Platz kennen. Dann sind alle in Sicherheit, und wenn alle in Sicherheit bleiben, können sich auch die äußeren Bedingungen einer Gruppe ändern, ohne dass sich jemand bedroht fühlen muss.
Um das klar zusagen: Ein „Anführer“ zu sein heißt nicht, dass man irgendwelche harschen Methoden verwenden darf, um diesen Führungsanspruch zu etablieren. Ich bin kein Wolf, mein Hund auch nicht. Ein guter Anführer zu sein bedeutet nicht, meinen Hund für etwas hart zu bestrafen, was ich als „ungezogen“ empfinde. Stattdessen bringe ich ihm bei, was ich von ihm erwarte. Wenn mein Hund mir nicht folgen will, muss ich durchhalten und konsequent darauf bestehen, dass er tut, was ich von ihm verlange. Es geht nicht darum, ihn mit Härte zu bestrafen, aber ich kann ihm auch nicht erlauben, dass er seinen Willen über meinen stellen (z.B. er will aufs Sofa ich will das nicht; er will auch im Bett schlafen, ich will das nicht; er will das Futter eines anderen Hundes fressen ich erlaube das nicht).
Manche Hunde bestehen mehr darauf, einen höheren Status zu erlangen, als andere. Das Wort „Dominanz“ ist mittlerweile übel mißbraucht und falsch verstanden worden; trotzdem gibt es Dominanz natürlich. Ich bin eine ziemlich dominante Person, und in meinem Rudel ist es ganz klar, dass meine schwarze Pudelhündin Luise den höchsten Status unter den Hunden innehat. Das bedeutet nicht, dass sie sich aggressiver verhält, als die anderen: Im Gegenteil. Luise bellt nicht einmal selbst; sie läßt bellen. Wenn ihr etwas komisch vorkommt, wufft sie ganz tief und ganz leise, und alle anderen machen Tatütata. Der Hund, der in meinem Rudel am allermeisten Getöse macht, ist der mit dem schwächsten Status: Harry, das kleine blau-weiße Windspiel.
Dominanz-Taktiken unter Hunden haben nur sehr selten etwas mit Aggression zutun. Manchmal stellen sie sich mit starrem Blick über einen Hund, machmal hauen sie einem anderen kurz und schnell ins Genick, um zu klären, wo der Hammer hängt. Manche Menschen habe versucht, diese Techniken zu imitieren, um auf diese Weise Dominanz über ihren Hund zu gewinnen, also ihren Status in der Gruppe zu verbessern: Meiner Ansicht nach bringen diese immer unsouveränen, aggressiven Methoden überhaupt nichts, sondern erinnern an Mobbing und Drangsalieren. Derlei Verhalten erlaube meinen Hunden nicht, warum also sollte ich sie anwenden?
Es geht viel mehr darum, Grenzen zu setzen, gute Führungsqualitäten zu beweisen, bestimmte Verhaltensweisen schlicht zu unterbrechen und ein Auge darauf zu behalten, was die Hunde untereinander machen. – Das macht es für manche Leute leicht, mehrere Hunde zu halten, und schwer für andere: Weil sie mögicherweise noch nicht gelernt haben, auf bestimmte Signale zu achten. Mir persönlich macht derlei keine Mühe; ich mache das mein Leben lang, für mich ist das wie Zähneputzen. Aber ich habe auch immer mehrere Hunde gehabt, verschiedener Rassen, und konnte mich langsam, wie beiläufig dahin bewegen. Ich sehe meine Hunde wie eine Gruppe Anwälte: Sie kennen die Regeln, versuchen aber ab und zu, sie zu biegen oder Berufung einzulegen.

Es ist wie mit Geschwistern: Ich habe die Fernbedienung, ich habe die Macht. Einer muss über das Programm bestimmen, sonst wird ja nur herumgezappt.

Herzlich, Katharina

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