Es gibt wahrscheinlich genau so viele Vor- wie Nachteile, mehrere Hunde zu halten. Zu den Nachteilen gehören eine gewisse Gruppendynamik, die dazu führen kann, dass die Hunde alle Kommandos mal kurz vergessen und außer Rand und Band geraten („gemeinsam sind wir stärker!“), dass einer, der an Jagd oder Jogger anbrüllen gar nicht interessiert ist, von seinem Kumpel dazu verführt wird, dass man sich als Gruppenführer immer wieder in Erinnerung bringen muss, denn die Hunde können sich schnell „gegenseitig genug“ werden, man muss mehr eingreifen und immer wieder mit den einzelnen Hunden einzeln spazieren gehen, um kleine Konflikte zu lösen, und sehr genau hinsehen, ob einzelne Gruppenmitglieder sich vielleicht nicht ganz grün sind momentan, oder gestresst voneinander. – Ganz abgesehen von mehr Haaren, die durch mehr Hunde durch die Luft fliegen und sich auf der Kleidung verteilen (nichts, was man mit einer Anglerhose nicht lösen könnte 🙂 ), mehr Hundebetten, die gewaschen werden müssen, möglicherweise ein weniger schickes, dafür größeres Auto (Caddys, Busse oder Kombs sind nun mal nicht besonders sexy, finde ich), weniger Platz auf dem Sofa und anderen Dingen, die ich persönlich allerdings ziemlich egal finde.
Das Schöne an einer gut funktionierenden Gruppe ist es, dass die Hunde jemanden haben, mit dem sie entspannt in ihrer eigenen Sprache kommunizieren können – ich stelle mir immer vor, dass Hunde immer gezwungen sind, in einem fremden Land zu leben, als hätte man unsereins in China ausgesetzt, ohne die Vokabeln wirklich zu beherrschen. Ich habe keine Ahnung, wie jemand ein wirklich guter Trainer sein kann, der nie mit einer größeren Gruppe (also mehr als zwei) von Hunden zusammen gelebt hat: Es ist hochinteressant, was man den ganzen Tag zu sehen bekommt, wer wen unterstützt, einen anderen blockiert, wer mit wem kuschelt und wer einfach mal Zeit für sich braucht. Meine Truppe hier funktioniert meistens sehr gut: Fritz und Harry sind ein eingespieltes Team. Wenn der Kastrat Harry von fremden Hunden belästigt wird, stellt sich Fritz angespannt und brummend dazwischen und blockiert den Zugang zu Harry, was den fremden Rüden dann dazu bringt, sich um irgendeinen anderen Hund zu kümmern.
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der sich aber mit seinen würdevollen acht Jahren nicht mehr andauernd durch die Gegend hetzen und im Genick packen lassen will – er möchte lieber Spaziergänge mit Tweed-Jacket, Pfeife und Botanikerbuch in der Tasche machen (weshalb ich oft mit ihm alleine spazieren gehe, damit er mal seine Ruhe vor dem Jungvolk hat). Sobald Amali ihm gegenüber einen Spiel-Koller bekommt, rast er gewöhnlich zu mir zurück, denn in unmittelbarer Nähe zu mir lassen sich alle Hunde sofort durch ein ruhig ausgesprochenes „Stopp!“ unterbrechen. Heute allerdings saß Amali allerdings irgendein Teufel zwischen den Ohren, und sie wollte partout nicht aufhören – woraufhin Harry ihr kurz und gut plaziert mal eben in den Hinterschenkel kniff.
Fritz hatte daraufhin für den Rest des Spaziergangs seine Ruhe, und Harry stapfte sichtlich stolz mit einem gewissen Autoritätsgefühl und seinem rosa Verband durchs Herbstlaub in der Gewissheit, dass es für die Welt ein echter Zugewinn bedeutet, das es ihn gibt.
Zuhause allerdings ist Amali Harrys Trost in allen Lebenslagen – sie läßt ihn (und sonst keinen) aus ihrem Futternapf mitfressen (es ist nicht so, als hätte er keinen eigenen – aber er frisst sein Futter nicht, sondern schluckt es im Ganzen herunter und kann sich dann anschließend nicht mehr erinnern, ob er in den letzten 14 Tagen überhaupt schon etwas zu fressen bekommen hat), er schläft dauernd mit ihr zusammen, wenn Fritz lieber allein schlafen möchte, und spielt sogar Zerrspiele mit ihr – wenn auch nur sehr kurz. Harry ist schließlich auch schon neun, da kommt man langsam in das Alter, in dem man lieber Brettspiele statt Völkerball spielt.
Windspiel Fritz ist der Anführer der Gruppe – allerdings nur gezwungenermaßen, weil es nach dem Tod von Luise, meiner schwarzen Pudelhündin vor zwei Jahren keinen anderen Hund gab, der diesen Job übernehmen konnte. Fritz liebt die „Alpha-Rolle“ nicht, es strengt ihn an, dauernd nach dem Rechten zu sehen.
Er ist längst nicht so souverän wie Luise, die sich alles tiefenentspannt aus der Ferne betrachtete und mit nur einem einzigen Blick alle offenen Fragen klären konnte. Tatschlich könnte es sein, dass Nano die Truppen-Befehlshaber-Position irgendwann übernimmt, aber bis dahin muss er auch erst etwas cooler werden (wobei er auf dem besten Wege ist: Zwei kleine Tabletten am Tag haben aus einem Adrenalinjunkie, der nach Streß nicht mehr zur Ruhe kommen konnte und vor allem aus jeder Kleinigkeit überhaupt erst richtig Stress machte, wieder einen entspannten, fröhlichen, neugierigen Hund gemacht – wirklich erstaunlich).
Pixel wiederum ist hier der der Event-Veranstalter, ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen, der alles super findet, überall mit dabei ist, nie aufdringlich und dennoch reizend zu den Damen.
Er wickelt die ältesten Schabracken um seine weißbestrumpften Pfoten, schlechtgelaunte Hündinnen, die seit Jahren mit anderen Hunden nichts zu tun haben wollen, entwickeln sich unter Pixels Ansprache zu albernen Backfischen (ich schwöre, man kan sie praktisch kichern hören). Amali ist ihm zu wild, mit ihr spielt er nur, wenn sie sich von ihm verfolgen läßt – umgekehrt findet er fürchterlich. Und obwohl seine tiefe Jugendfreundschaft zu Nano mittlerweile etwas abgeklungen ist, versucht er dennoch, den großen grauen Hunddaran zu hindern, mit anderen Hunden neben ihm zu spielen. Weshalb auch hier getrennte Spaziergänge ab und zu angebracht sind – der Witz dieser getrennten Spaziergänge ist übrigens, dass sich hinterher alle Beteiligten umso mehr freuen, wenn sie einander wieder sehen; sie werden von oben bis unten untersucht, Intimzonen zur Inspektion dargereicht, die Ohren und Augen gesäubert und auf irgendeine Weise alle Abenteuer von unterwegs ausgetauscht.
Gretel hält sich aus allem heraus. Sie spielt mit allen oder niemandem, interessiert sich sehr für fremde Hunde, würde aber nicht mit ihnen spielen (außer, es sind andere Windsprites, aber das ist eben der typische Rasissmus von Hunden), und findet es auch schön, in einer Gruppe zu leben, weil es sie von zuviel Aufmerksamkeit auf sie allei entlastet.
Gretel macht keine Fehler und nie etwas falsch, sie ist lieb zu Kindern aber nie zu überschwänglich, führt jedes Kunststück im Nullkommanix aus, haut nicht ab oder läßt sich wenigstens sofort zurückrufen und geht ohne Leine durch die Stadt, als wäre sie durch ein unsichtbares Band mit mir verbunden. Sie ist völlig zufrieden damit, an einer mittleren Position in der Gruppe zu sein, wobei sie eindeutig über Pixel, Amali und Nano steht. Sie ist ein Wunderhund, der alles findet, was ich verliere, und schon deshalb hoffe ich, dass sie sehr, sehr alt wird.
Es ist natürlich eine Aufgabe, mit mehreren Hunden zusammen zu leben. Zumal mit sechs Hunden – kein normaler Mensch tut sowas, wenn er sich auch noch für etwas anderes interessiert als Hunde. Es wäre auch nicht möglich, würde ich nicht von zuhause aus arbeiten und nicht so leben, wie wir leben – mit Garten und mitten auf dem Land. Wenn ich keine geborene Alpha-Bitch wäre, würde hier reinstes Chaos herrschen. Auch mit einer anderen Sorte Hunde wäre es schwieriger – die Windhunde rühren sich zuhause nicht vom Fleck sondern schlafen fast immer oder amüsieren sich höchstens mal mit einer Runde „Krokodilspiel“ – Sie wissen schon, zusammen in einem Hundebett (aber lieber: Auf einem Menschenbett oder dem Sofa) liegen und mit offenem Maul eine Art Zahnkampf ausführen, begleitet von Geräuschen, die an Wal-Gesänge erinnern. Bei sechs Jack Russells würde ich mir wahrscheinlich die Kugel geben, bei sechs Dalmatinern, Weimaranern oder Dackeln erst recht. Sechsmal Violetta – und ich wäre in der Klapse.
Aber so, wie es jetzt ist, ist es wirklich schön.