Hier überschlagen sich, wie immer, die Ereignisse: Ich komme selber kaum noch mit
Vor drei Wochen bekam ich einen Anruf einer Tierschutzorganisation wegen eines adoptierten Hundes, der sofort und auf der Stelle aus seinem neuen Zuhause musste: Angeblich würde der Hund beissen, er käme überhaupt nicht zur Ruhe, würde die Wände herauf- und herunterlaufen und hätte seit seiner Ankunft – vor drei Tagen – keine Sekunde geschlafen. Als ich mit der Adoptantin sprach, schien sie furchtbar aufgeregt und wollte den Hund auf der Stelle loswerden. Also warf ich mich ins Auto nach München.
Der Hund, den sie mir auf der Straße übergab, war ein Mischling aus Border Collie und Pekinese und wirkte genauso aufgewühlt wie die Dame an der Leine. Ich begrüßte ihn freundlich, und die Dame warnte mich sofort mit „Oh je, passen Sie bloß auf!“: Dabei war er ungeheuer freundlich, nur sehr nervös. Ich signalisiert ihm, dass ich ihn in mein Auto heben wollte, was er ohne mit der Wimper zu zucken akzeptierte – wenn auch, um gleich wieder auszusteigen. Was ich auch zuließ, denn ich wollte ihm zeigen, das das Ganze hier nur ein Vorschlag war und er zu nichts gezwungen würde. Langer Rede, kurzer Sinn: Die Dame hatte noch nie einen Hund gehabt, was sie bei der Vorkontrolle anders dargestellt hatte, sie wohnte neben einer achtspurigen Straße, sie hatte den Hund wenige Stunden, nachdem er aus Ungarn angekommen war, sofort in ihrer Wohnung alleine gelassen und wunderte sich, was sie denn wohl falsch gemacht hätte.
Ich würde mal sagen: Alles. Ein Hund, der erst nach neun Jahren sein Zuhause verloren hatte – auch wenn es ein Zuhause war, in dem er an ein halbes Fass gekettet in einem Hinterhof lebte – und ins Tierheim abgeschoben wurde und dann plötzlich eine lange Reise in ein fremdes, neues Leben in eine kleine Wohnung mit einer zutiefst verunsicherten Menschin antreten musste – der hatte wohl jedes Recht, unruhig und nervös zu sein. Und man sollte meinen, der Mensch, der den Hund in sein Leben eingeladen hat (und nicht umgekehrt), schenkt ihm ein bisschen Zeit, um sich mit der neuen Situation anzufreunden.
Es war nicht meine Aufgabe, diese Frau zu erziehen. Also packte ich den Hund ein und fuhr nach Hause.
In der Zwischenzeit lernt Paul, wie ein Hundeleben sein kann: Mit langen Spaziergängen, Hühnern in der Küche und im Garten, gutem Futter und Warmwasser-Orgien, um den Dreck vergangener Jahre aus dem schwarzen Fell zu waschen.
Tatsache ist: Seit ich ihn kenne, hat Paul (so heißt er jetzt) kein einziges Mal gebissen. Nicht einmal die Nase gerümpft oder geknurrt. Er ist höflich mit den Hühnern, mit den anderen Hunden und drängt sich niemals auf. Wenn alle im Wohnzimmer sind, legt er sich an die Schwelle, damit er niemandem den Platz weg nimmt. Er hat ein paar kleinere Baustellen – er hält seine Rute wie ein Corgi, kann sie also nicht hochstellen oder wedeln, weshalb ich einen alten Bandscheibenvorfall vermute. Er hat ein so genanntes „Cherry- Eye“ – einen Nickhautvorfall, bei dem die Drüse, die für die Versorgung des Auges mit Tränenflüssigkeit zuständig ist, aus dem dritten Augenlid hervortritt und als rötliche Masse im inneren Augenwinkel sichtbar wird (daher die Bezeichnung „Cherry Eye“, weil das Ding an eine Kirsche erinnert). Weil das Ganze schmerzhaft ist und außerdem Infektionen begünstigt, muss es operiert werden, was aber keine große Sache ist und am 10. März bei ihm gemacht wird.
Und jetzt, w er sauber und gepflegt und gut ernährt ist, ist er ein wirklich hübscher Hund, der sich unglaubliche Mühe gibt, alles richtig zu machen. Er hat innerhalb von fünf Tagen verstanden, dass er mit „Paul“ gemeint ist, gehorcht sofort und findet es zwar seltsam, aber durchaus interessant, wenn uns die Ziegen und Schafe auf unsere Spaziergänge begleiten.
Unser Futter verträgt er fabelhaft, dazu bekommt er alle möglichen Zusätze, um seine Gesundwerdung weiter zu unterstützen: Die Leyen – Active- Tabs mit Kollagen, um sein Bindegewebe und die Gelenke zu unterstützen, außerdem hochkonzentrierten Aloe-Vera-Saft, um die Entgiftung „anzuheizen“ und entzündliche Vorgänge möglichst positiv zu beeinflussen. In der ersten Woche bekam er außerdem ein hochdosiertes Tryptophan-Präparat, das ihm einen Streß-Puffer verschaffen sollte. Tryptophan ist der Baustein für die Ausschüttung des Glückshormons Serotonin, wirkt ausgleichend und stimmungsaufhellend und kann angstlösend wirken und Stressempfinden reduzieren. Mit anderen Worten: Je besser der Körper mit damit versorgt ist, desto entspannter die Stimmung.
Letzte Woche kam er schon mit in den Englischen Garten, wo ich einmal in der Woche mit meinen Hunden spazieren gehe, damit sie nicht komplett ver-bauern und den Umgang mit Streß – will heißen: Rennfahrradfahrern, Joggern und unendlichen Mengen fremder Hunde – lernen. Paul schlug sich fabelhaft, begegnete allen Hunden mit großer Liebenswürdigkeit, behielt mich ständig im Auge und freute sich seines Lebens.
Sobald Pauls Zipperlein behandelt sind, braucht er ein eigenes Zuhause: Ein Zuhause, in dem nicht ganz so viele Hunde leben, aber vielleicht Kinder (er ist besessen von Kindern und sucht ständig ihre Nähe). Katzen sind ihm wurscht. Spaziergänge jeglicher Couleur macht er gerne mit, er rennt fliehendem Wild kurz hinterher, kommt aber sofort zurück, wenn man ihn ruft, und ist insgesamt eine echte Freude.
Und nein: Ich kann ihn nicht behalten, weil auch meine Kapazitäten irgendwann erschöpft sind. Er hat trotzdem ein wundervolles Leben verdient, das vielleicht sogar etwas weniger „voll“ mit anderen Hunden, Besuchern, Tieren und Themen ist. Über Bewerbungen freue ich mich sehr unter info@lumpi4.de.
danke dass der paul bei euch einziehen durfte…alles gute fuer euch…
Ach Pauli.. alles, alles Gute!!!