Viele Hundeschulen raten von vorneherein zu Geschirren, Hunden, die an der Leine ziehen, wird ein Geschirr verordnet, damit sie sich nicht am Kehlkopf verletzen, und viele Leute halten Geschirre grundsätzlich für gesünder. Die andere Fraktion schwört auf Halsbänder, schwört darauf, dass ein Hund am Halsband viel leichter und schneller das Gehen an der Leine lerne, und belächelt Geschirre als Augenwischerei der Wattebausch-Werfer.
Tatsächlich gibt es nun Studien, die belegen, dass die Frage „Halsband oder Geschirr“ durchaus eine gesundheitliche Überlegung ist – aber ganz anders als alle dachten.
Der Trend zum Geschirr entstand aus physikalisch richtigen Überlegungen: Je größer die Auflagefläche, desto geringer der punktuelle Druck. Messungen mit speziellen Druckmessunterlagen bestätigen denn auch, dass durch Geschirre der punktuelle Druck verringert wird – aber gleichzeitig entstehen so genannte „Druckspitzen“ an Körperstellen, die überhaupt keinen Druck vertragen.
Bei allen Hunden haben die Muskeln die gleiche Funktion, egal, ob sie Schoß-, Jagd-, Hüte- oder Schlittenhunde sind: Als ehemaliger „Beutereißer“ ist der Hund auf einen ausgesprochen stabil bemuskelten Hals angewiesen – was man wunderbar erleben kann bei den beliebten Zerrspielen, wenn Hunde miteinander toben: Da wird geruckt, gerissen, und gezerrt, was das Zeug hält. Unsere menschliche Halswirbelsäule wäre nach einem solchen Einsatz irreparabel geschädigt – der Hund dagegen begibt sich gleich in die nächste Runde. Die Halswirbelsäule beim Hund ist der beweglichste Bereich der Wirbelsäule und fängt auch beispielsweise das Schütteln der Beute bei der Tötung sehr effektiv ab.
Der Brustkorb des Hundes ist dagegen eine heikle Sache. Er besteht aus 13 Brustwirbeln, an dem jeweils die Rippenpaare beginnen, die in großem Bogen abwärts führen. Am Brustbein, das aus ganz kleinen, dünnen Knochen besteht, die eine bewegliche Gliederplatte bilden, werden diese Rippenpaare zusammengeführt und schließen sozusagen den Brustkorb. – Im Gegensatz zum menschlichen Brustbein, das eine starre Knochenplatte ist. Die Schulterblätter des Hundes sind rechts und links auf den Brustkorb gelagert und dort nur durch Muskeln verbunden – eine knöcherne Verbindung wie das menschliche Schlüsselbein fehlt beim Hund.
Sind also die Schultergelenke durch beispielsweise ein aufliegendes Geschirr eingeschränkt, bereitet das dem Hund nicht nur Unbehagen, sondern eine erhebliche Mehrbelastung für die darunter liegenden Gelenke, besonders die Ellenbogen, und können die natürliche Bewegungsökonomie empfindlich stören. Ähnlich verhält es sich mit den Brustriemen eines Geschirrs, die einfach nie auf dem Brustbein liegen bleiben, sondern verrutschen und dann auf die empfindlichen Gelenke zwischen Rippen und Brustbein drücken: Eine Stelle, an der sehr wichtige Nerven und Gefäße liegen. Erzeugen Geschirrteile Druck oder Reibung in den Achseln, können Muskel- oder Nervenirritationen bis hinzu Lähmungen entstehen.
Außerdem laufen die Geschirrriemen über die Rippen. wodurch bei geringem Zug an der Leine die Beweglichkeit der Rippen beim Atmen eingeschränkt wird. Die dicken Schnallen vieler Geschirre, die auf den Rippen liegen, drücken auf die empfindliche Knochenhaut der Rippen.
Gerade lange Rücken werden durch Geschirre nicht entlastet: Die Halteöse für die Leine befindet sich über der mittleren bis hinteren Brustwirbelsäule, wodurch eine Knickung der Wirbelsäule entsteht. Je kleiner der Hund, desto größer der Winkel der Hebelwirkung und dadurch der Knickwirkung bei angezogener Leine.
Natürlich gibt es Fälle, bei denen ein Geschirr unbedingt angewendet werden sollte: Krankheiten und Verletzungen im Halsbereich, oder Hunde, die zu einer Instabilität der Luftröhre neigen.
Geschirre, die für Last- und Schlittenhunde konzipiert wurden, sehen übrigens völlig anders aus: Deren Zugpunkt liegt an der Schwanzwurzel, so dass der ganze Hundekörper uneingeschränkt mitarbeiten kann, und weil immer mehrere Hunde im Gespann laufen, bewegen sie sich mit nahezu waagerechter Zugleine, so dass keine Hebelwirkung auf die Wirbelsäule stattfindet.
Tatsächlich ist es nämlich so: Druckmessungen haben ergeben, dass die schonendste Druckverteilung mit einem breiten, weichen Halsband zu erreichen ist, bei dem die Schnallen und Ösen im Nacken liegen.
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