Hoch das Bein!

bildvom 30.09.2012

Brief von Fritz
FZ073016

Ich weiß noch, wie es war, als ich als ganz junger Hund zum ersten Mal mein Bein an einem Busch hob. Das war aufregend! Ich war endlich ein großer Hund. Es fühlte sich irgendwie sauber und richtig an, und alle waren unglaublich stolz auf mich. Also versuchte ich es beim nächsten Mal am Sofa.
Da stellte sich heraus, dass es offenbar auch in diesem sensiblen Bereich eine ganze Menge Regeln gibt. Kein Beinheben im Haus. Kein Beinheben an Menschenbeinen, außer, sie bemerken es nicht, dann schleichen wir uns schnell weg. Autoreifen sind ok, Fahrräder nicht. Büsche im Wald sind ok, im Garten nicht. Blumen sind nie ok. Die Regeln kann kein Mensch verstehen, hund sowieso nicht. Es ist ein bisschen wie eine tägliche Quizshow. Macht das Leben interessant.
Natürlich hebe ich mein Bein am liebsten dort, wo andere Hunde vor mir waren. Das hat nichts mit Territorium zu tun. Wer hat Euch eigentlich diesen Quark eingeredet? Ich bin nicht so blöd zu glauben, die Straßenlaterne sei mein Territorium. Es ist so, wie ein Geburtstagskarte zu unterschreiben: Damit wir sie ja nicht zu Deiner Karte. Aber es macht die Karte irgendwie persönlicher. Mit Urin ist das genau das gleiche.
Ach, und noch was: Je höher man pinkelt, desto besser. Hast Du mal gesehen, wie sich der Nachbarmops immer per Handstand gegen die Wand stellt? Nur der Höhe wegen. Manchmal versuche ich, mich auf die Zehenspitzen zu stellen, nur für das kleine bisschen extra-Höhe. Keine Ahnung, wieso. Fühlt sich einfach gut an – so ähnlich, wie Ihr Euch immer groß macht und den Bauch einzieht, wenn jemand Euch fotografiert. Ich meine: Weiß doch jeder, dass Ihr nicht besonders groß seid und nicht gerade schlank. Aber es gibt Euch ein besseres Gefühl. Mit dem Hochpinkeln ist es das Gleiche.
Es ist gar nicht kompliziert. Ich meine: Unsereins besteht ja nicht auf einem extra-Raum im Haus, in dem wir in einen kalten, weißen Keramikstuhl voller Wasser pinkeln. Ich meine, das soll erst einmal einer erklären.
Aber ab und zu gibt es ganze schöne Momente. Wie neulich, als ich mit Eurem Besuch ganz allein im Wald war, nur er und ich, und wir gleichzeitig an einem Baum das Bei hoben. Das war nett. Man fühlte sich auf eine gewisse Weise sehr verbunden. Ich habe ein bißchen höher gepinkelt. Wollte nur mal erwähnt haben.

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