Ich stehe dem Sommer ja durchaus kritisch gegenüber. Normalerweise verbindet man den Sommer mit einem leichten Gefühl – das aus der Werbung bekannte „Summer-feeling“ -, mit Badesaison, Ferien und Pina Colada. Auch mich umweht der ein Hauch von Kokos. Das liegt aber nicht an köstlichen bunten Cocktails, sondern an dem Öl, mit dem ich meine Hunde gegen Zecken einreibe.
Während andere Leute sich ein blumiges Sommerparfum aussuchen, sozusagen das Äquivalent ihrer Garderobe aus zartem Chiffon und anderen luftigen Stoffen, heißt mein persönlicher Sommerduft „Anti-Brumm forte“, mit dem ich mich einsprühe, wenn ich zwei- bis dreimal täglich mit meinen Hunden Wald-und Wiesenspaziergänge mache. Super gegen Mücken und Zecken und überdeckt jeglichen Eigengeruch. Dabei gehe ich natürlich auch nicht in leichten Stoffen spazieren, sondern in langen Hosen, um nicht mit völlig zerstochenen oder zerkratzten Beinen nach Hause zu kommen. Auch meine Kollektion an eleganten Sommersandalen hält sich in Grenzen: Stattdessen habe ich Converse-Turnschuhe in allen Variationen, um mich trittsicher vorwärts bewegen zu können. Ich bin also ein sportlicher Typ. Aber an mir liegt das nicht. Eher an meinen Hunden.
Die Hunde, na klar, lieben Sommer. Jedes Jahr entdecken sie zu Beginn der Gartensaison wieder den Gärtner in sich und graben Löcher in den Rasen, die direkt in die Mongolei führen. Dann gilt es, den sorgfältig angelegten Vorrat an Knochen, Socken und Spielsachen, den sie im vergangenen Jahr in den Beeten angelegt haben zu überprüfen: Leider wissen sie meistens nicht mehr ganz punktgenau, wo sich diese Verstecke befanden, also graben sie einfach mal großflächig alles um. Darum wachsen bei mir die Tulpen, Taubenhyazinthen und anderen Zwiebelblumen nie da, wo ich sie ursprünglich gepflanzt hatte, sondern erblühen willkürlich verstreut an den erstaunlichsten Stellen.
Ein großer Spaß ist es auch, wenn der Rasensprenger angestellt ist: Wie nackte kleine Kinder rasen meine Hunde bellend durch den Wasserstrahl, was erstens meinen lärmempfindlichen und im Sommer dementsprechend dauerempörten Nachbarn auf den Plan bringt, und zweitens mich mit allen verfügbaren Handtüchern. Denn anders als kleine Kinder panieren sich nasse Hunde phantasievoll mit gesunder schwarzer Humuserde oder schickem grünen Grasschnitt, bevor sie sich im kühlen Haus von dem lustigen Spiel erholen wollen.
Im Sommer stehen gewöhnlich alle Türen und Fenster stehen offen, so dass die Hunde den ganzen Tag fröhlich vom Garten ins Haus und wieder nach draußen rennen. Das sorgt für ein gewisses Feriengefühl auf meinem Parkettboden: Ich muss gar nicht an den Strand. Schöner als in meinem Flur kann’s da gar nicht sein. Vor allem privater: Denn ist man im Frühling, Herbst und Winter an allen Stränden, Seen und Meere mit sich, der Natur und seinem Hund allein, sind die meisten im Sommer für Hunde gesperrt. Scharenweise liegen Menschen auf Wolldecken und Badehandtüchern herum. Die Strände, die nicht für Hunde gesperrt sind, liegen zumeist direkt neben dem FKK-Strand, und das ist eine Aussicht, der ich in den meisten Fällen nicht gewachsen bin. Ganz abgesehen davon, dass ein Hund, der gerade aus dem Meer kommt, gewöhnlich wahnsinnig froh darüber ist, den Fluten wieder entkommen zu sein, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, und möchten alle Welt an dieser Freude teilhaben lassen. Sie rasen herum, dass der Sand nur so spritzt, werfen sich selig auf fremde Handtücher, untersuche dabei schnell und beiläufig den Picknickkorb völlig Fremder, falls dort gerade ein Leberwurstbrot verdirbt, und schnappen sich den Ball eines Kindes, dass gerade bei diesem Thema zufällig gar keinen Spaß versteht.
Natürlich ist der Sommer auch bei uns Haupt-Badesaison, aber nicht so, wie Sie denken. Mein Hundeshampoo-Verbrauch steigt in den warmen Monaten beträchtlich. Der Hitze wegen werfen sich die Hunde unterwegs zur Abkühlung in jedes feuchte Schlammloch, jeden Bach oder Tümpel, was für ein intensives modriges Aroma sorgt. Außerdem sind im Winter die Möglichkeiten, sich in fiesen Dingen zu wälzen, deutlich begrenzter, weil alles geruchsfrei tiefgefroren ist. Im Sommer dagegen entwickeln Maulwurfkadaver, von Anglern übriggelassene Fischinnereien und tote Kröten eine ganz andere Kraft, wenn sie in der Schwüle vor sich hin dampfen. Da wird selbst der souveränste Hund schwach.
Keine Ahnung, warum sich alle Leute immer wünschen, die matschige Frühjahrs- oder Herbstsaison möge bald vorbei sein: Da bleiben die Gartentüren wenigstens zu, man trocknet den Hunden die Pfoten nach jedem Spaziergang, und damit hat es sich. In meinem Fall der kapriziösen Windhunde tragen sie außerdem alle Mäntel, wodurch sie gegen Regen, Matsch, Schlamm und andere Unbill praktisch vakuumverpackt sind.
Um es mal frei mit Karl Valentin zu sagen: Sommer ist schön, macht aber auch viel Arbeit.
aus DOGS Nr. 4 Juli/August 2014