Kranksein mit Hund

Dogs Ausgabe 1/2013

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Wir Hunde sind treue Begleiter. Und zwar in jeder Lebenslage. Wenn der Mensch also krank ist: Kein Problem. Wir sind da. Immer und so nah wie möglich. Ich weiß das, denn mein Name ist Harry, ich bin ein Italienisches Windspiel: Das ist eine sehr kleine Windhundrasse, die extra dafür gezüchtet wurde, den Damen in zugigen Schlössern und Burgen die Betten warm zu halten. Und tatsächlich: Es gibt keine besseren Wärmflaschen als unsereins. Konstante 38,5 Grad, ohne je auszukühlen. Sehr kommod. Hunde schwitzen ja auch nicht, sondern bleiben immer schön trocken. Was man von einem Menschen mit Fieber nicht gerade behaupten kann. Aber weil das Wichtigste für Kranke Wärme ist, bleibe ich immer schön drangekuschelt, damit es keinen Temperaturverlust gibt. Wenn der Mensch einen schnaufend wegschiebt: Das ist nur der Fieberwahn. Gleich wieder zurückrücken. Wenn er schwitzt: Umso besser, das vertreibt die Viren umso schneller.

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Menschen wissen gewöhnlich ja nicht, was wirklich gut für sie ist (oder für uns, ehrlich gesagt: Aber die ganzen überflüssigen Diskussionen, die bei uns zum Thema ausreichende Mahlzeiten geführt werden, oder ob Hunde Süßigkeiten fressen dürfen, oder wie viel Bauchkraulen genug ist, oder ob es artgerecht ist, wenn Hunde nicht mit ins Bad dürfen, will ich hier gar nicht ausbreiten), aber auch dafür haben sie ja uns, ihre besten Freunde. Um es mal klar zu stellen: Einsamkeit beim Kranksein wirkt einer baldigen Genesung massiv entgegen und muss unbedingt verhindert werden. Das bedeutet: Den Mensch unter keinen Umständen alleine lassen, auch, wenn er denkt, er wolle das Bett ganz für sich allein haben. Niemand will alleine im Bett sein, schon gar nicht, wenn er zu schwach ist, sich zu wehren oder Kommandos in einem ernstzunehmenden Ton auszusprechen. Husten oder nachhaltiges Niesen gelten nicht als Befehl. Vertrauen Sie mir.
In unserem Haushalt gibt es vier Hunde: Wenn wir uns alle ganz dicht an den kranken Mensch heranlegen, muss der einfach im Nullkommanix gesund werden. Leider ist Luise, die Pudelhündin, für solche Einsätze kaum zu gebrauchen. Ihr wird bei solchen Aktionen selbst zu warm, behauptet sie. Dafür bin ich im Falle von Bettlägerigkeit von 1A Nutzen und ringele meine Zunge ab und zu in Ohren, Augen oder Nasenlöcher, um zu sehen, ob der Mensch noch lebt. Manchmal lege ich mich zum Zeichen meiner großen Treue in guten wie in schlechten Zeiten auch wie eine Mütze um den Kopf des Kranken (das hat für mich den Vorteil, dass ich dann mit auf dem Kopfkissen liegen kann). Oder, falls er sich sehr lange nicht bewegt hat, springe ich ganz plötzlich und ohne Vorankündigung mitten auf ihn drauf. Bisher hat sich zwar immer herausgestellt, dass der Mensch nur sehr tief geschlafen hat, aber das kann ein Hund ja nicht vorher ahnen. Man kann dann immer noch so tun, als wäre es als gutgemeintes Kunststück geplant gewesen, um den Kranken zu erheitern.
Eine gute Methode, die Lebensgeister des Menschen aktiv zu erhalten ist es, Spielzeug großzügig in und auf dem Bett zu verteilen. Der beste Zeitpunkt hierfür ist, wenn der Mensch im Bad verschwindet. Hier ein Quietschtier unterm Kopfkissen, dort ein alter Ball oder ein tröstlich müffelndes Stofftier unter der Decke sorgen immer wieder für fröhliche Stimmung. Auch ein wohlriechender Knochen (oder ein Stück weichgekauter Ochsenpesel, wenn nichts Besseres zur Verfügung steht) am Fußende des Bettes platziert macht gewöhnlich Laune.
Schwierig kann es werden, wenn man den kranken Menschen dazu bewegen will, an die frische Luft zu gehen. Dass es nicht gesund sein kann, den ganzen Tag im Zimmer im Bett herumzuliegen, sollte eigentlich jedem einleuchten, und ein bisschen Abwechslung hat noch keinem geschadet. Allein, der kränkelnde Mensch wehrt sich mit einer Sturheit, die man nicht einmal von Dackeln kennt. Als ob ein Hund von seinem Menschen nicht in regelmäßigen Abständen dazu genötigt würde, das Haus zu verlassen, ganz egal, wie unpässlich der sich fühlt. Und meistens geht es einem ja tatsächlich etwas besser, wenn man erst einmal frische Luft in der Nase und etwas Gras gefressen hat. Der Mensch allerdings will das nicht einsehen. Er öffnet die Gartentür und glaubt tatsächlich, man ginge nun alleine nach draußen, oder drückt das andere Ende der Leine jemandem in die Hand, der nun den gewohnten Gang erledigen soll, den der Gewohnheitsmensch sonst mit einem unternimmt.
Das kommt nicht infrage. Wenn von unserer Erziehung überhaupt irgendetwas beeindrucken konnte, dann, dass man mit Ignorieren und Konsequenz alles erreichen kann. Will heißen: Alle Versuche des Kranken, den Spaziergang auf jemand anderen zu übertragen, gilt es hartnäckig zu ignorieren. Zur Not muss man sich hinlegen und steif machen: Sie werden einen schon nicht aus dem Haus schleifen. Lauthals jammern ist auch eine gute Methode. Und dann konsequent den Kopf aufs Laken legen und seelenvoll gucken (am besten stellt man sich hierzu seine Lieblingsspeise vor: Leberwurstbrot zum Beispiel. Oder alle Arten von Keksen. Oder gebratenes Huhn. Oder Frikadellen. Oder ? na, Sie wissen schon, was ich meine). Dann fällt es auch nicht weiter schwer, ab und zu tief zu seufzen.
Der Mensch, der bei solchen Maßnahmen nicht doch irgendwann aufsteht, sich anzieht und mit einem um den Block taumelt, muss schon im Koma liegen. Und das wäre auch die einzige Entschuldigung, die man gelten lassen kann.
Aber er wird es einem danken: Der Kranke wird sich anschließend wieder viel mehr auf sein Bett freuen.

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