Fortsetzung des Textes weiter unten aus:
Freidenker: glauben an eine symbiotische, stressfreie Beziehung zum Hund, ohne Grenzen setzen zu müssen
Freidenker haben nicht das geringste Interesse daran, ihren Hund unter Kontrolle zu halten“. In ihrem offiziellen Berufsleben wird von viele Freidenker nämlich genau das permanent verlangt: Entscheidungen treffen, erfolgreich sein, ihr Leben 100%ig im Griff haben – und praktisch jeder, der sich an sie wendet, will irgendetwas von ihnen.
Ihr Hund dagegen ist die Autobahnausfahrt aus diesem Zustand. Für Freidenker ist der Hund eine Oase inmitten allen Stresses und wilden täglichen Lebens. Und darum haben häufig Menschen, die normalerweise mit beiden Beinen trittsicher im Beruf stehen Hunde, die sich aufführen wie vergnügte Amokläufer. Das Gute – für die Freidenker – ist dabei: Sie merken es gar nicht richtig. Sie übersehen einfach, dass ihr Hund vielleicht einen anderen Hund belästigt (Ach, das regeln die schon alleine!“), und finden es auch nicht schlimm, wenn ihr Hund seinen Kopf tief im Einkaufskorb einer fremden Dame vergräbt: Sie haben bestimmt Leberwurst eingekauft!“ Freidenker sind die Hundemenschen, die in dem Augenblick, in dem ihr Hund mit nassen Pfoten an den Gästen hochspringt strahlend erklären: Er liebt Menschen!“ und ihren Hund, der den Briefträger beisst, als Anarchisten“ verklären, der eben keine Uniformen mag.
Manchmal liegt es daran, dass die Freidenker als Kind derartig reguliert und kontrolliert wurden, dass ihr Hund sozusagen stellvertretend die Kindheit bekommt, die sie selber nicht hatten – eine märchenhafte Kindheit voller Freiheit und totaler Akzeptanz bei allen Unzulänglichkeiten, die man eben so mit sich bringt, ohne Angst und Strafen“, ein Leben, in dem die Liebe Ozeane und Pipi-Pfützen überkommt und sich auch nicht an zerkauten Sofas stört. Wir alle sind das Resultat unserer Vergangenheit, und gerade das, was uns in unserer Kindheit fehlte, wollen wir normalerweise unseren Kindern möglichst im Übermaß zukommen lassen. Für manche bedeutet das Freiheit von Angst, Regeln und Grenzen. Manche Hunde kommen mit einem Dasein ohne Grenzen gut klar, andere weniger gut. Wenn es ein Hund mit geringem Führungsanspruch ist: Kein Problem. Wenn es ein Hund ist, der Regeln vermisst, wird er sie selber aufstellen, denn irgendjemand muss in diesem Laden ja die Verantwortung übernehmen“. Das sind dann die Fälle, in denen der Hundemensch völlig fassungslos in der Hundeschule steht, weil sein Hund plötzlich nach ihm geschnappt hat, als er sich neben ihn aufs Sofa setzen wollte -wieso denn bloß? Das hat er doch noch nie gemacht!“
– Wenn so etwas passiert, kann es für den Freidenker der Moment sein, in dem er erwachsen wird. Verantwortung zu übernehmen heißt bisweilen eben auch, die Führung zu übernehmen – ob einem das nun liegt, oder nicht. Man kann die Hundehaltung nicht dem Hund überlassen. Im Hund-Mensch-Team muss der Mensch derjenige sein, der die Entscheidungen trifft.
Freidenker können es nicht leiden, wenn auf sie Druck ausgeübt wird, also üben sie ihrerseits auch ungern Druck aus – nicht mal ein bisschen. Dafür sind sie häufig gutgelaunt und sehr geduldig – und Geduld ist immerhin die Eigenschaft, die man als Hundehalter am dringendsten braucht. Sie be-urteilen ebenso wenig, wie sie ver-urteilen, sie halten Chaos meist für ein wunderbares Abenteuer – was das Leben mit einem Hund in jedem Fall einfacher macht. Ihrerseits haben sie in ihrem Hund einen Begleiter, der sie nimmt, wie sie sind, ohne sie zu beurteilen, jemanden, der alle ihre Entscheidungen ohne Diskussionen akzeptiert.
Am besten geht es Freidenkern mit kleinen, ruhigen, friedlichen Rassen – dann kommen ihre Freunde auch weiterhin zu Besuch: Sooo sehr können ein Mops, Silky Terrier, Amerikanischer Coker oder Malteser gar nicht außer Rand und Band geraten, als dass das Leben mit ihm unmöglich wird. Schwierig oder geradezu gefährlich wird es, wenn der Freidenker sich eine Rasse oder Mischung aus Hunden zulegt, die ein gewissen Aggressionspotential mitbringen. Freidenker haben es schlicht nicht in sich, mit solchen Themen adequat umzugehen, und auch keinerlei Bedürfnis, intensive Problemlösungsmethodik zu erlernen.