vom 29.3.10
Ich bin völlig überzeugt davon, dass Hundeliebe erblich ist. Mein Hunde-Tick ist ganz sicher genetisch. Meine Mutter behauptet, dass mein allererstes Wort Hund“ war (so, wie das erste Wort meines Bruders Porsche“ lautete), und ich, als sie mich mit fünf Jahren das erste Mal auf eine Hundeausstellung mitnahm, von 280 Rassen 273 kannte. Meine Großmutter war jedenfalls ähnlich veranlagt wie ich: Als mein Großvater um sie warb, fand sie ihn zwar ganz nett – ihr Herz allerdings eroberte er erst, indem er ihr einen Dackelwelpen schenkte.
Dackel blieben die große Liebe ihres Lebens. Der einzige Hund, der mich je absichtlich biß, war ihr letzter Dackel, Bauzi. Dass Bauzi Kinder nicht leiden konnte, war bekannt und wurde auf irgendein frühkindliches Trauma zurückgeführt, und alle Kindern waren gehalten, sich von dem Dackel fernzuhalten. Wer es nicht tat, war schlicht selber schuld.
Meine Großmutter wurden von allen Hunden geliebt. Wildfremde Hunde begrüßten sie auf der Straße, als hätten sie einen lange verloren geglaubten Freund wieder getroffen, die Besitzer waren irritiert oder gar beleidigt, und meine Großmutter versuchte immer, derlei ein bisschen herunter zu spielen: Ich weiß aber, dass sie mit Hunden in einer bestimmten Geheimsprache kommunizierte, die nur sie und die Hunde verstanden. Deshalb freuten sich diese fremden Hunde auch so: Weil sie endlich jemanden getroffen hatten, der sie wirklich verstand. Auch auf Einladungen waren die Hunde der Gastgeber grundsätzlich völlig hin und weg. Mein Großvater machte immer Witze, dass seine Frau sich vorher die Beine mit frischem Fleisch abreiben würde, anders sei ihre unglaubliche Abziehungskraft nicht zu erklären. Bei jeder Party war es das Gleiche: Meine Großmutter saß irgendwo auf einem Sessel vor dem Kamin und unterhielt sich mit einer Gruppe von Leuten, und plötzlich erschien der große Hund der Gastgeber. Ohne die kleinste Vorwarnung warf er sich voller Begeisterung auf meine Großmutter, Martinis und Teetassen fielen um, die Seidenstrumpfhosen meiner Großmutter wurden zerrissen, bevor das entzückte Tier sich endlich friedlich auf dem Schoß ihres neuen Kleides zusammen rollte. Wenn sie hilfesuchend die Gastgeber ansah, hörte man die nur murmeln: Ach, ist das nicht schön? Normalerweise ist Jackie immer so distanziert Fremden gegenüber.“ Einmal erlebte ich auf einem eleganten Abendessen, wie meine Großmutter von dem großen, sehr haarigen Haushund praktisch durchgekaut wurde. Plötzlich sagte sie etwas unglücklich: Ach, herrje, ich glaube, jetzt hat er einen meiner Ohrringe verschluckt.“ Die Gastgeberin sah einen Moment lang wirklich erschrocken aus, während sie den zweiten, wirklich sehr hübschen Perlenohrring mit Saphiren musterte. Dann sagte sie, sichtlich entspannter: Ach, ich glaube, das ist nicht so schlimm. Er war ja recht klein und rund.“