My Dog is my Castle

bildvom 23.August 2009

Ich verbringe meinen Sommer in Schreib-Klausur in Brandenburg in einem Haus, das völlig allein und abseits von jeglicher Zivilisation liegt. Meine direkten Nachbarn sind Wildschweine, Kraniche und Hasen, die doppelt so groß sind wie meine beiden Windspiele. Als mich neulich jemand fragte, ob ich mich denn nicht fürchten würde so alleine, antwortete ich: „Wieso – ich habe doch die Hunde“ – und erntete einen geringschätzigen Blick: Als seien Großpudel und Italienische Windspiele keine geeigneten Schutzhunde.
Um es gleich vorweg zu nehmen: Selbst mein 5-Kilo-Leichtgewicht Harry verfügt über ein grauenvolles Bellen wie ein geschmettertes „Kikerikiii!“, dass bei jedem Einbrecher zum sofortigen Hörsturz und lebenslangem Tinitus führen würde. Und Luise mag vielleicht aussehen wie eine schwarze Ballerina – sie hat aber ein sehr ausgeprägtes Gefühl dafür, wer sich mir wann und unter welchen Umständen nähern darf. Raubmörder, Diebe, Perverse, Neonazis und Jogger gehören nicht in die von ihr tolerierten Gruppe.
Ich jedenfalls fühle mich völlig sicher mit meiner Menagerie, und deshalb kann mir auch nichts passieren.
Hunde sind sehr gute Beschützer, und für diesen Job eignen sich nicht nur Rottweiler. Fast jeder Hund vermittelt seinem Besitzer ein Gefühl der Sicherheit – manchmal ganz echt, manchmal virtuell, aber immer tröstlich. Hunde beschützen uns vor allen möglichen Nöten – die Beunruhigendsten davon kommen dabei nicht von außen, sondern finden wir in uns selbst, wie Einsamkeit, das Gefühl der Isolation und Zweifel. Jeder von uns möchte gebraucht werden, möchte ein Zuhause haben und das Gefühl, dazu zu gehören. Hunde geben einem genau das: Ihnen ist es völlig wurscht, ob man klug genug, gut genug, schön genug ist. Für Multitasker, die es nicht schaffen, die Hände in den Schoß zu legen, die keine Ruhe finden können, um ein Buch zu lesen aus Angst, irgendetwas anderes, WICHTIGES würde dann liegen bleiben, ist der Hund ein ruhiger, sicherer Hafen vor dem inneren Pflichtbewusstsein, der zeigt, dass man sich manchmal auch einfach dem Augenblick hingeben darf: Nur, weil es sich gut anfühlt, heißt das nicht, dass es falsch sein muss. Hunde sind das beste Gegenmittel für Streß, vergangenem oder kommendem: Na los, ruhen Sie sich aus; ein bisschen Bauchkraulen hat noch keinem geschadet. Für Perfektionisten ist der Hund eine Oase vor den ständigen, erschöpfenden Selbstgeißelungen, ob man es hätte besser machen können, was die anderen denken, den ganzen Negativitäten, denen man sich dauernd aussetzt. Für Grübler sind Hunde ein gutes Cross-over in die wirkliche Welt und bieten einen Puffer gegen die Einsamkeit, die einen in den Momenten überfällt, in denen man darüber nachdenkt. Ballspielen mag anti-intellektuell sein, macht aber trotzdem Spaß. Auch für Kontroll-Freaks sind Hunde wunderbar: Auf eine gewisse Weise bieten sie Schutz und Sicherheit und verhelfen ihrem Menschen zu einer gewissen Kontrolle über bestimmte Situationen. Wer einen schrecklichen Tag hatte, tut gut daran, draußen ein bisschen mit dem Hund zu arbeiten und so die Dinge wieder in die richtige Perspektive zu rücken: Sie wissen ja, dass es hier um Geborgenheit geht, und Ihr Hund weiß das auch.
Echte Wach- und Schutzhunde brauchen eine ganz bestimmte Sorte Mensch. Wer glaubt, er brauche einen solchen, muss erst einmal seine inneren Führungsqualitäten kultivieren. Ich meine: Die Chance, dass ein böser Räuber aus den Büschen springt, um einen zu überfallen, ist sehr viel geringer als die Möglichkeit, dass irgendein spaßvogeliger Freund aus den Büschen springt, um einen zu überraschen – schaffen Sie sich also einen Hund für Ihr richtiges Leben an. Wenn dieses Leben voller Kinder, Freunde und kleiner Parties ist, dann brauchen Sie einen sozialen Hund, der die Alarmanlage bedienen kann, aber keinen a-sozialen Hund, der sich alarmierend verhält.
Man kommt auf merkwürdige Gedanken, wenn man immer nur Fuchs und Hase Gute Nacht sagt.

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