Die meisten modernen Menschen erinnern sich nur bruchstückhaft an die religiösen Hintergründe des Osterfestes. Da war irgendwas mit Jesus war – aber was? Das mit dem dem Esel und dem Ochsen und dem Stall war zu einer anderen Jahreszeit, obwohl dort immerhin die Eier Sinn machen würden.
An Ostern wird die Auferstehung von Jesus gefeiert, aber wo der Zusammenhang mit den Eiern ist, weiß niemand so recht. Möglicherweise sind überhaupt die Schokoeier der Grund, warum das mit der Auferstehung vielen Leuten bis zum Ostersonntag völlig entfällt: Weil sie bereits in den Wochen davor schon so viele Ostereier gegessen haben, dass das Aufstehen ausgesprochen schwer fällt. Dass mit den Ostereiern fängt ja praktisch im gleichen Moment an, in dem man die Schokoladenweihnachtsmänner verdaut hat: Die Supermärkte lassen einem eine Verdauungsfrist von vier Wochen, dann sind die Blätterkrokant- und Marzipaneier fällig. Manche Leute behaupten, die Tradition der Ostereier sei eine chinesische Sitte, wo man sich als Symbol für den Frühling Eier zum Geschenk machte. Dabei steht wohl außer Frage, dass die meisten Leute Schokoladeneier den Hühnereiern vorziehen. Statistisch mögen nur neun von zehn Menschen Schokolade, aber ich glaube, die zehnte Person lügt. So, wie bei den Umfragen zum Sexleben von Eheleuten, bei denen auch immer behauptet wird, sie hätten nach fünfzehn Jahren Ehe immer noch dreimal in der Woche Sex. Klar. In ihren Träumen.
Jedenfalls ist Ostern in Wirklichkeit das Fest der Schokolade. Eigentlich ist es der Beginn der österlichen Freudenzeit“, die 50 Tage bis Pfingsten dauert, aber biochemisch betrachtet sind Freude oder Liebe praktisch das Gleiche, wie unglaubliche Mengen von Schokolade zu essen.
Meine Hunde scheinen der gleichen Meinung zu sein und geben sich am Ostersonntag alle Mühe, den Garten in rasendem Tempo nach Eiern zu durchsuchen, bevor die Kinder frei gelassen werden. Nur Harry, das Windspiel ist schlauer: Er dockt sich in vermeintlicher Nächstenliebe an die kleinen, mit Osterkörbchen bewaffneten Kinder an und wartet sogar, bis sie das Staniolpapier entfernt haben, um sich das Ei in den Mund zu stopfen: Erst dann schlägt er zu. Manchmal lässt er sie einmal abbeißen, bevor er sich entscheidet, die fröhliche Osterstimmung zu ruinieren, in dem er mit einem gut geplanten Sprung das Osterei aus der Kinderhand reißt und gleichzeitig verschlingt.
Jedes Jahr versuchen wir, die Hunde ins Haus einzusperren, damit derlei nicht passiert. Sowieso ist Schokolade für Hunde giftig, weil sie Koffein und Theobromin enthält, was bei Hunden ernste Herzprobleme verursachen kann. Zartbitter ist besonders gefährlich: Kleine Hunde von wenigen Kilogramm Körpergewicht können schon nach der Aufnahme von 20 – 30 Gramm sterben. Bei großen Hunden wie z.B. Schäferhunden sind 120 bis 250 Gramm gefährlich. Milchschokolade führt in etwa zehnfacher Menge zum Tod – offenbar sind meine Hunde dem Tod durch Schokolade nur entkommen, weil Ostereier relativ klein sind. Die großen Hasen und die schweren Schokoladen-Pasteteneier, in die ich persönlich gerne einziehen würde, werden bei uns besser bewacht als der durchschnittliche Goldtransport. Wir sind eine kinderreiche Familie, wenn man alle Generationen mitrechnet: Wir wissen, was Futterneid ist.
Jedes Jahr lässt irgendein unwissender Gast die Hunde früher oder später doch nach draußen, damit sie vom Familientreiben nicht ausgeschlossen werden. Das erhöht das Tempo der Ostereiersuche ganz beträchtlich: Selbst die Allerkleinsten begreifen den Ernst der Lage und rennen los, als gälte es ihr Leben und werfen sich im letzten Moment, Nase an Nase mit den Hunden, auf die grünen und lila Schokoeier. Natürlich bringen wir den Kindern bei, dass es an Ostern um etwas anderes geht als um Schokolade. Aber erst am Ostermontag.