Frage: Sehr geehrte Frau von der Leyen!
Mit großem Interesse haben wir Ihren Artikel über den Angst-Hund
gelesen; wir haben nämlich auch so einen „Fall“, der uns ziemlich
ratlos macht:
Unser Foxterrier Kunibert ist ein 1 1/2 Jahre altes unerschrockenes Kerlchen. Motorsäge, Rasenmäher, Mixer, Kaffeemaschine, Bohrmaschine, Winkelschleifer… . Die Liste der Geräte, die man nicht ungestört bedienen kann, weil er mit seinem neugierigen Schnauz hautnah am Geschehen sein muss, ließe sich beliebig fortsetzen.
Einzige katastrophale Ausnahme: der Staubsauger!
Wenn Kunibert den nur hört (und inzwischen auch bloß sieht), flieht er in die entfernteste Ecke des Hauses bzw. Grundstücks und hockt dort zusammengekauert zitternd – das bildgewordene Häufchen Elend. Nichts und niemand kann ihn dann beruhigen, ein Durchdringen mit gutem Zureden ist dann nicht möglich.
Da wir ihn sozusagen „so“ bekommen haben, haben wir auch schon seine „Wurf-Mutter“, eine gute Freundin von uns, befragt. Aber die kann sich an keine kritische Situation erinnern, und der restliche Wurf und die Hundemutter zeigen sich von Staubsaugern unbeeindruckt.
Richtig beunruhigt sind wir, seit er unlängst – jemand aus der Familie öffnete nichtsahnend die Haustüre – abzischte und über die nahegelegene Durchzugsstraße lief; wir klaubten ihn dann aus einer Hecke und trugen unser bibberndes Bündelchen nach Hause.
Wie können wir unserem Kuni helfen, seine Staubsauger-Angst abzulegen oder zuminderst soweit abzumildern, dass er sich wegen ihr nicht in gefährliche Situationen bringt? Vielleicht haben Sie ja ein paar Tipps bzw. Adressen, wo uns weitergeholfen werden kann?
Ihre
Familie Grims
Antwort:
Liebe Familie Grims,
ich denke nicht, dass Kuniberts Staubsauger-Phobie sich auf ein „schlimmes Erlebnis“ in Jugendtagen zurückführen läßt – irgendwann wird er den Staubsauger in einem Moment gehört haben, bei dem er sich – vielleicht gleichzeitig noch über irgend etwas anderes – erschreckt hat. Und – das sage ich jetzt todesmutig per Ferndiagnose, ohne Sie zu kennen, den Hund gesehen zu haben, etc. – vielleicht hat ihn immer wieder irgendjemand versehentlich in seiner Angst bestärkt, ihn also getröstet oder beruhigend auf ihn eingeredet und weil Hunde ja nicht die Worte verstehen – „ist gar nicht schlimm, macht nix, ist ja bloß der Staubsauger“ – , sondern nur die Melodie dessen, was Sie sagen, ging er aufgrund des beruhigenden (in seinen Ohren: traurigen, beunruhigten, außergewöhnlichen) Tonfalls davon aus, das er völlig recht habe mit seiner Angst. Ich hatte eine Terrierhündin, die im Alter von sechs Jahren plötzlich panische Angst vor Gewittern entwickelt. Wir haben immer in Hurra-Stimme mit ihr gesprochen („Ui! Hast du gehört? Schon wieder ein toller DOnner!“), und dadurch besserte es sich leicht.
Diese Staubsaugerangst müßte eigentlich gut durch klassische Desensibilisierung zu lösen sein. Lassen Sie den Staubsauger am besten gleich stehen, leinen Sie Kunibert auf seinem Platz an und saugen Sie kurz irgendwo in der Ferne, in einem anderen Zimmer, UND SPRECHEN SIE IHN NICHT AN. Beachten Sie ihn überhaupt nicht, saugen Sie, dann hören Sie auf und LEINEN IHN AB, OHNE IHN WEITER ZU BEACHTEN. Es ist nur ein weiterer Handgriff, sonst nichts. Und in zwei Stunden wiederholen Sie das Ganze wieder. Und nach zwei Stunden wieder. In drei Wochen ist Ihr Haus praktisch staubfrei, und Ihr Hund wird sich daran gewöhnen, dass fünfmal am Tag irgendwo im haus gesaugt wird.
Wenn er das erst einmal hinnimmt, saugen Sie vor dem Zimmer, in dem er liegt, und nach einer weiteren Woche IN dem Zimmer, aber weit entfernt von ihm, und ohne ihn anzusehen. Er bleibt immer schon angeleint auf seinem Platz, der seine Schutzburg und sein Ruhepol ist, wo ihm nichts passieren kann (ich hoffe, Ihr Hund hat noch einen anderen Platz, damit Sie das Zimmer mit seinem Bett auch schon während der drei Wochen mal saugen können – da leinen Sie ihn dann an).
Wenn Sie merken, dass er sehr nervös wird, machen Sie wieder einen Schritt zurück.
Der Witz ist: Wenn Kunibert in einer Staubsaugertestfirma leben würde, wäre er froh, wenn nur dreimal am Tag um ihn herum gesaugt würde: An diesen Punkt müssen Sie kommen.
Das mag Ihnen aufwändig vorkommen – aber was sind schon drei, vier Wochen Staubsaugen, wenn Sie anschließend zwölf Jahre lang einen einigermaßen entspannten Hund haben? – Immerhin werden Sie während dieser Zeit in einer praktisch staub- und krümelfreien Zone leben.
Mit herzlichen Grüßen, Katharina von der Leyen