Es gibt möglicherweise appetitlichere Themen, mit denen man sich rund um den Hund beschäftigen kann, aber wenige, die gleichzeitig unterschätzter und wichtiger sind als die Zahnpflege beim Hund.
Denn: 80% der Patienten in tierärztlichen Praxen haben Zahnprobleme wie starke Zahnbeläge, Zahnstein und Zahnfleischentzündungen. Die Ursache hierfür liegt meistens in der heutigen Ernährung, der zunehmenden Fütterung mit Fertigprodukten mit synthetischen Zusätzen und vorwiegender Fütterung von Weichfutter: „Der Selbstreinigungsprozeß durch Reibung – wie beim Zerkleinern großer Stücke Fleisch, Knochen oder Fellteile – wird weder durch Dosenbrei, noch durch keksartiges Trockenfutter in Gang gesetzt“, so die Münchner Tierärztin Dr. Doris Quinten. „Die Folge davon sind Zahnbeläge, die man Plaque nennt. Wenn Hunde dagegen größere Fleischstücke und Knochen bewältigen wollen, müssen sie seitlich kauen. Dadurch wird ihr Scherengebiß mechanisch abgerieben und damit gesäubert.“
Plaque bestehen aus Nahrungsresten, abgestorbenen Mundschleimhautzellen, Schmutzpartikeln und Eiterbakterien: Wenn Plaque nicht rechtzeitig entfernt werden, schädigen sie den Zahnfleischrand. Wenn sie längere Zeit auf dem Zahn sitzen bleiben, lagern sich in der Plaque Mineralsalze aus dem Speichel ein, die zu einer sehr starken Verhärtung des Zahnbelages führen – gelb-bräunlicher, rauer Zahnstein, der ständig weiter wächst und die Zähne regelrecht verkrustet. Später schiebt sich der Zahnstein unter das Zahnfleisch, das sich dementsprechend entzündet, außerdem reibt sich der raue Zahnsteinbelag permanent an der Backenschleimhaut – die sich daraufhin verletzt, entzündet und eine ideale Tür für Krankheitserreger bildet.
Bei Zahnproblemen geht es längst nicht nur um Zahnprobleme und schlechten Atem – sie ziehen einen Rattenschwanz anderer, oft weit schlimmerer Gesundheitsprobleme hinter sich her. Bakterien gelangen in die Blutbahn und können sich als Entzündungsherde im ganzen Körper verbreiten und sich beispielsweise in Form von Abzessen bevorzugt an Herzklappen und Nieren festsetzen. Das bedeutet also: Chronische Infektionen der Mundhöhle können gesundheitliche Spätfolgen an vielen Organsystemen verursachen und das Allgemeinbefinden erheblich stören. Es ist nachgewiesen, dass gesunde Zähne lebensverlängernd wirken.
Zu warten, bis der Hund Zahnschmerzen zeigt bedeutet also, viel zu lange zu warten. Es ist sowieso gar nicht einfach, beim Hund Zahnschmerzen zu diagnostizieren: Die meisten fressen trotzdem weiter. Wird das Futter schließlich verweigert, sind die Zahnprobleme meist schon extrem weit fortgeschritten. Die klassische Lösung der Zahnsteinentfernung durch den Tierarzt wird mittels Ultraschall oder manueller Entfernung unter Vollnarkose durchgeführt und ist deshalb nicht als regelmäßiges Ritual zu empfehlen. „Der einzige Weg, die Zähne frei von Gingivitis und Plaque zu halten“, so der Tierarzt und Zahnarzt Dr. Dr. Fahrenkrug aus Quickborn, „ist das Zähneputzen. Das ist der Königsweg: Drei- bis viermal die Woche mit Zahnbürste und Zahncreme. Wer das nicht tut – weil er nicht kann oder will -, der muss sich Alternativen überlegen. Die gibt es.“
Alternativen zum Zähne putzen beim Hund
Zur Selbstreinigung des Hundegebisses ist eine artgerechte (sowieso natürlich zuckerarme) Fütterung die Voraussetzung: Bei Hunden, die regelmäßig Knochen fressen und das Futter in Form großer Fleischstücke bekommen, erübrigt sich häufig eine spezielle, vom Besitzer durchgeführte Zahnpflege. Große Futterstücke werden mit den Backenzähnen in schluckgerechte Stücke gebissen – dazu legt der Hund den Kopf etwas seitlich auf das zu zerkleinernde Fleischstück und bewegt den Unterkiefer scherenförmig auf- und nieder: Dabei werden die Seitenflächen der Zähne durch Reibung von Belägen befreit, der einsetzende Speichelfluss schwemmt die Beläge weg und reinigt auch die Zwischenräume.
Die richtige Ernährung reicht als Vorbeugemaßnahme häufig nicht aus, besonders bei Hunden, die genetisch sehr zu Zahnstein neigen (besonders kleinwüchsige und flachnasige Arten) und Hunde, die überwiegend Dosenfutter oder kleingeschnittenes Futter bekommen. „Das muss jeder Hundebesitzer bei seinem Tier ausprobieren“, so der Tierarzt und Zahnarzt Dr. Dr. Fahrenkrug aus Quickborn. „Nicht jedes Futter ist für jeden Hund optimal. Die individuelle Anlage zu Plaque und Gingivitis hat auch mit dem pH-Wert des Speichels zu tun und mit dem Kauverhalten des Hundes.“ Als wirklich sicher gilt nur die systematische Bekämpfung von Zahnbelägen. Auf diese Weise werden die Zähne nicht nur mechanisch von Zahnbelägen gereinigt, die Zahnpasta hemmt das weitere Bakterienwachstum durch spezielle Inhaltsstoffe.
Bei vielen Hunden erinnert der Versuch des Zähneputzens an ein Wrestling-Match, mit Anschleichversuchen seitens der Besitzer und anschließend aller Finten des Samurai-Kampfes. Die meisten Hunde mögen die Zahnpasten mit Geflügel- oder Lebergeschmack gern, nur das Bürstenmanöver wird gerne zum Drama aufgebaut, der Hund dreht den Kopf hin- und her und presst die Zähne zusammen, als ginge es ums nackte Leben.
Je früher man den Hund ans Zähneputzen gewöhnt, desto leichter hat man es später. Es gibt spezielle Zahnpflegesets für Hunde, Zahnpasten in verschiedenen Geschmacksrichtungen, ergonomisch geformte Spezialzahnbürsten und Fingerzahnbürsten in Form kleiner Gummi-Fingerhüte, die gerade bei Welpen oder bockigen Hunden häufig leichter funktionieren, als die klassische Zahnbürste mit langem Stil. „Wer das nicht schafft, sollte wenigstens alle sechs Monate vom Tierarzt die Zähne kontrollieren und gegebenenfalls von Plaque reinigen lassen“, so die Hamburger Tierärztin Dr. Dagmar Walther. „Das kostet wenig, die Hunde gewöhnen sich schnell daran, und die Zähne bleiben in Ordnung.“
Grundsätzlich gilt: Je mehr der Hund sein Gebiß zum Kauen harter Dinge benutzt, desto besser – nicht das Tischbein, aber Kalbsknorpel und -knochen, verschiedene Büffelhautknochen, Schweine- und Rinderohren, etc.
Außerdem gibt es verschiedene Sorten Kauknochen und Kau-Strips, wie Dentastix oder Denta Rask von Pedigree, die Zahnstein und Plaque abreiben, oder den Seaweed Bone Kausnack von Hunter mit seiner sehr merkwürdigen Form, mit der Hunde lange beschäftigt sind und so Zahnfleisch massieren und Zähne reinigen. Oder die recht effektiven Greenies – grüne oder gelbliche Kauknochen in Form einer Zahnbürste, die sehr hart sind, weshalb die Hunde lange und intensiv kauen müssen. Das enthaltene Phosphat bindet das Kalzium in der Maulhöhle und kann so der Zahnsteinbildung entgegen wirken. Es gibt „Greenis“ in verschiedenen Größen, Hunde fressen sie mit Begeisterung – für Hunde mit Getreideallergien eignen sich die getreidefreien WHIMZEES Zahnpflegesnacks allerdings besser.
Bei Tierärzten gibt es Produkte, die noch weitergehen und mit plaquelösenden Enzymen wie beschichtet sind (die gleichen, die in menschlichen Zahnpflege-Kaugummis enthalten sind), die unterstützend wirken – man muss nur erst ausprobieren, welche von ihnen von den Hunden auch wirklich gerne genommen werden. „Gute Erfolge kann man auch mit dem ROYAL CANIN Dental Special erreichen“, so Dr. Walther. „Die wirklich sehr großen Brocken haben eine spezielle Texttur, die beim Kauen die Zahnflächen wie ein Radiergummi reinigen sollen, ganz ohne chemische Zusätze.“ Ausserdem gibt es über den Tierarzt Gele, die den enthalten und ins Maul gegeben definitiv anitbakteriell wirken – manchmal verfärben sie die Zähne ein wenig, ein Nebeneffekt, der aber mit der Zeit wieder verschwindet. Auch in der Anti-Plaque-Lösung Vet aquadent der Firma Virbac sind plaquelösende Enzyme enthalten: Sie wird dem Trinkwasser zugegeben und wirkt im Hundemaul antiseptisch.
So sollte ein strahlendes Gebiß kein Problem mehr sein.