Heute mussten wir Pauli einschläfern.
Im Hof auf seinem Strohlager unterm Sonnenschirm, die Hunde um ihn herum. Vorher bekam er noch frisches Wasser, ich habe ihn gebürstet, er frass ein bisschen von dem Gras und dem Klee, den ich ihm mitgebracht hatte – mehr aus Höflichkeit als aus echter Leidenschaft, aber Pauli war ein guter Bulle und wusste, was sich gehörte -, dann kam der Tierarzt und schläferte ihn ein. Es dauerte kaum zwei Minuten.
Es war so: Nachdem er erst so wunderbare Fortschritte gemacht hatte, richtig mithalf, wenn Sepp ihn dreimal am Tag mit dem Trecker aufstellte, platzte eine dicke Beule an seinem hinteren Kniegelenk, was ich für ein entzündetes Liege-Hämatom hielt. Ich wusch es zweimal täglich mit Betaisadonna-Lösung, schmierte Honigsalbe in die Wunde und verschloss das Ganze anschließend mit Grüner Lehm-Paste (was hervorragend wirkt bei Entzündungen, Wunden und Abzessen bei Menschen, Pferden und Hunden). Ich bürstete ihn jeden Tag, er liebte es, wenn man ihm seine Wamme massierte, die Hunde machten ihm dauernd Augen und Nase sauber, ich versorgte seine Liegewunden, die großartig heilten. Sein Schlafplatz wurde sozusagen zum Hotspot; Paten- und Nachbarskinder besuchten den Pauli, kämmten ihn und schlugen (mit etwas befremdlicher Begeisterung) die Fliegen tot, die auf ihm herum krabbelten, pflückten Löwenzahn und Klee für ihn, und er schien sich großartig zu amüsieren.
Er guckte ganz anders, wacher, fröhlicher, und seine Vordergelenke schwollen vollständig ab.
Am Dienstagmorgen bekam ich zwei Fotos von Sepp zugeschickt: Pauli hatte sich nach dem Aufstellen durch Sepp spontan zu einem kleinen Spaziergang entschieden und wankte im Hof herum, untersuchte die Paketpost und stapfte in den Bullenstall. Sepp erzählte, dass er große Angst hatte, Pauli würde dort ausrutschen und er ihn dann nicht mehr aufstellen können, aber dergleichen geschah glücklicherweise nicht (ich persönlich glaube ja, Pauli wollte seinen Kollegen nur erzählen, wie das geht: „Also, ihr legt euch vier Wochen lang hin und macht auf echt totsterbenskrank – und dann kommt die Alte von nebenan und dann habt ihr den Jackpot.“)
Nach seinem Ausflug war er völlig erschöpft und schlief den ganzen Tag; ich dagegen frohlockte und war sicher, nun ginge es aufwärts.
Stattdessen ging die Entwicklung eher rückwärts. Er wollte nicht mehr aufstehen, wenn Sepp ihn aufstellte, benutzte er die Hinterbeine einfach nicht mehr. Ansonsten schien er gut gelaunt, aber er machte nicht mehr die geringsten Anstalten aufzustehen. Er wurschtelte auf seinen Vorder-Knien herum, dreht sich, verlangte nach Wasser, spielte mit dem Eimer und half mir weiterhin, wenn ich seine Wunden behandelte, aber er machte nichts mehr.
Er hatte wieder Fieber – 39,7 -, und der Tierarzt, der sich am Freitag die eitrige Wunde ansah, erklärte mir, es sei keineswegs ein entzündetes Hämatom: Der Eiter käme aus dem Gelenk. Da ließe sich leider nichts machen; der Eiter und die Bakterien hätten das Gelenk mittlerweile so angegriffen, dass es – würde man es öffnen – voraussichtlich ganz zerfressen sein.
Und so mussten wir ihn heute Abend gehen lassen. Aber es war irgendwie schön, dieser heiße Sommerabend, alle um ihn herum, Pauli war warm, weich und glänzend, er lag auf seinem Strohbett und schlief ein.
Wir hätten ihn so gerne gesund gemacht und ihn mit den Pferden auf die Weide gestellt. Es sollte nicht sein.
Sicher ist aber: Seine letzten Wochen waren wirklich schön und würdevoll. Er wurde gehegt, geliebt und umsorgt, er hatte keine Langeweile und wurde jeden Tag gekrault, gebürstet, gepflegt und bewegt.
Und er hat mir gezeigt, dass es lauter wundervolle Menschen da draußen gibt, die ein ebenso weiches Herz haben wie ich und spontan bereit waren zu helfen. Das hat mich so unglaublich froh gemacht, diese zahllosen Hilfsangebote für einen fremden Bullen, der Schmerzen hat, dass ich jetzt weiß: Die Welt ist viel, viel netter und schöner, als man an manchen Tagen so denkt.
Und das ist ein wirklich schöner, tröstlicher Gedanke.