Hundespaziergänge haben eine dunkle Seite. Die zeigt sich meistens sehr spät abends im November oder im Schnee, also dann, wenn man nicht wirklich nochmal mit dem Hund raus möchte. Sie kennen das: Sie waren auf einer richtig guten Party, Sie sind erschöpft vom vielen Reden und Trinken, Ihr Zuhause ist schön warm und Ihr Bett kommt Ihnen wie der verlockendste Ort der Welt vor …
Hilft nix. Der Hund muss nochmal raus. Außerdem lässt er Sie dann morgen Früh wahrscheinlich länger schlafen. Leise vor sich hin fluchend ziehen Sie Stiefel, Mantel, Schal und Mütze an und stapfen hinaus in die Nacht, die das Gegenteil von milde ist.
Vielleicht fällt auch noch Schnee in großen Flocken. Er bedeckt alles – Zweige, die kurvigen Silhouetten der Autos, die Hausdächer, Zäune und Mülltonnen. Während Sie mit Ihren Füßen große Fußabdrücke hinterlassen, sehen Sie, wie sich der Schnee auf dem Rücken Ihres Hundes niederlegt.
Die Fenster der Häuser und Wohnungen sind alle dunkel. Die tugendhaften Nachbarn schlafen alle längst, nur in einem Fenster ganz oben flackert ein blaues Licht eines Fernsehers. Kein Auto hat den jungfräulichen Schnee bisher berührt. Bis zum Morgen wird das weiche Weiß geräumt, gekehrt, zusammengeschoben, gesalzen, geschmolzen und zertrampelt sein. Aber jetzt liegt es noch rein und unschuldig auf den Straßen.
Ohne Hund hätten Sie diesen Anblick nicht erlebt, nicht gemerkt, wie anregend die kalte Luft ist. Und plötzlich sind Sie wieder hellwach und seltsam energiegeladen. Im Licht der Straßenlaternen erkennen Sie die schräge Flugbahn der Schneeflocken. Die niedrigen Wolken reflektieren die Lichter der Stadt, wodurch der Himmel unnatürlich hell wirkt.
Lassen Sie Ihren Hund von der Leine. Formen Sie ein paar Schneebälle und werfen Sie sie ihm. Sehen Sie zu, wie er durch den Schnee rennt – vielleicht braucht er weder Ball noch Schneeball oder Frisbee, um zu rennen, er läuft, weil ihn der Schnee dazu einlädt.
Wenn unsere Hunde strahlend über eine weite Fläche galoppieren, geht uns das Herz weit auf. Rennen Sie doch einfach ein Stück weit mit.
Wieder zurück zu Hause, wissen sie wieder, welche ein Wunder ein Hundespaziergang sein kann. Und sie merken, wie Sie für etwas, das Sie wirklich, wirklich nicht machen wollten und nur gezwungenermaßen angefangen haben, doch plötzlich ziemlich dankbar sind.
Liebe Katharina, herrlich, Dein Kommentar zum Winterspaziergang! Leider geht das alles bei unserem rumänischen Jagdhund aus dem Tierschutz überhaupt nicht. Er muss an der Leine bleiben (immer lt. Amt!) und einen doppelten Maulkorb tragen. Alles reizt ihn zum Nachstellen, wilde Frau markieren (schrecklich bellen) und Reißen an der Leine. Wir versuchen seit ca. 2 Jahren, ihm das mit und ohne Trainer abzugewöhnen. Bisher leider umsonst. Ich wäre sehr glücklich, wenn Du mir ein paar Tipps geben könntest oder mit uns in Kontakt treten könntest. Liebe Grüße von Ingrid, Manfred und Sarah Mehlhop
Liebe Ingrid,
das klingt eigentlich, als wäre der Hund dauerhaft reizüberflutet, bzw. hat sich das Theater an der Leine mittlerweile schon als Ritual angeeignet. Im Grunde müsste man den ganzen Leinenspaziergang neu aufbauen. Ferndiagnostisch sprengt das schlicht den Rahmen, aber ich habe ein ganzes Buch darüber geschrieben („Angeleint!“, Graefe und Unzer), inklusive der Bearbetung von gräßlichem Verhalten beim Anblick fremder Kreaturen. Vielleicht hilft das ja, solange man Coronabedingt kein richtiges Training machen kann?
Herzlich, Katharina