Hundebesitzer wissen das natürlich – dass Hunde unsere Stimmungsschwankungen deutlich mitbekommen und sich nicht nur mit uns freuen, wenn wir ausgelassen sind, sondern sich durchaus beunruhigt zeigen, wenn wir traurig sind. In der Süddeutschen Zeitung vom 12. August erschien im Ressort Wissen“ ein interessanter Artikel darüber, dass mittlerweile wissenschaftlich bewiesen ist, dass viele Tiere echtes Mitgefühl empfinden und sich um Verlierer kümmern. Das Phänomen tröstender Tiere hat in den vergangenen Jahren immer mehr Forscher interessiert, die wissen wollten, welche Spezies dieses Verhalten zeigten, und welchen Zwecken Trost spenden eigentlich dient.Was verraten tröstende Tere über die Evolution des Mitgefühls beim Menschen?
Der Kognitionsbiologe Thomas Bugnyar von der Universität Wien hat bei Raben zwei Jahre lang beobachtet, dass nach Kämpfen, bei denen wirklich die Federn flogen, der jeweilige Verlierer, der sich mit gerupften Federnin eine Ecke zurückzog, eben nicht einfach „sitzen gelassen“ wurde – schon nach jeweils wenigen Minuten flog ein Gefährte oder eine Gefährtin des Verlierer-Rabens herbei, um ihn mit dem Schnabel zu kraulen. Der liebkoste Rabe legte den Kopf nach hinten, schloss die Augen und genoß.
Bisher wurde dieses rührende Verhalten vor allem bei Rabenvögeln wie Raben und Saatkrähen, und Primaten wie Schimpansen, Bonoboas und Gorillas ausgemacht. Mittlerweile haben Forscher entdeckt, dass auchWölfe, Hunde und Bärenmakaken Trost spenden. Affen umarmen den Verlierer, küssen und lausen ihn, Bonobos heitern ihre Artgenossen gern mit einer Runde Sex auf. Wölfe und Hunde legen sich neben den Verlierer, lecken und beschnüffeln ihn und versuchen, ihn zum Spielen zu animieren.
Fr Forscher besteht kein Zweifel: Trösten ist alles andere als banal; es gilt als hohe Form der empathie. Die Tiere müssen zubnächst die Emotionen des Verlierers überhaupt spüren und daraufhin willens und fähig sein, diese Niedergeschlagenheit zu lindern. Dazu muss das Tier sich selbst als eigenständiges Wesen begreifen und den anderen als ein vom eigenen Selbst getrenntes Wesen erkennen; und dazu das Talent zum Perspektivwechseln, um sich in den anderen hineinzuversetzen.
Alle Tiere, die Mitgefühl empfinden können, haben eines gemeinsam: Sie leben in sozial sehr komplxen gruppen. „Für Gruppentiere“, so Bugnyar, „ist es überlebenswichtig, dass alle Mitglieder miteinander auskommen.“- Ein nicht besänftigter Verlierer kann nämlich gefährlich werden und sich etwa bei nächster Gelegenheit auf den Gewinner stürzen oder das Futter nicht mehr mit ihm teilen. Trösten beschwichtigt den Verlierer und stellt die überlebenswichtige Gruppenharmonie wieder her. Dadurch kommt es zu weniger Kämpfen in der Gruppe, wodurch sich die Mitglieder seltener verletzen und weniger Enegerie verschwenden.
Den wichtigen Trost spendet dabei weniger ein Verwandter oder das Leittier, sondern gewöhnlich der beste Freund; derjenige, mit dem sie am meisten Zeit verbringen, häufig das Futter teilen und am häufigsten gegenseitige Körperpflege betreiben. Der Grad der Freundschaft hat also direkte Auswirkungen auf das Trostverhalten: Je besser die Bindung, desto höher die Trost-Wahrscheinlichkeit.
Forscher folgern daraus, dass Tiere nicht etwa deshalb Beistand leisten, um sich selbst zu schützen – immerhin könnte es ja sein, dass sie einen Unterlegenen nur beruhigen, damit der seine aufgestauten Aggressionen nicht an ihnen ausläßt (das kommt wohl tatsächlich häufig bei Schimpansen vor, wo der Verlierer gerade von jenen aufgemuntert wird, die er sonst mit Vorliebe verhaut). In den meisten Fällen scheint hinter Trost echtes Mitgefühl zu stehen, das aus einer engen Bindung erwächst.
Im Licht dieser Forschungsergebnisse wird klar, wie tief die Wurzeln des menschlichen Mitgefühls sind. Wenn schon der gemeinsame Vorfahr von Schimpanse und Mensch vor fünf Millionen Jahren den Kummer seiner Artgenossen spüren und tröstend eingreifen konnte, wurde der Mensch während seiner Evolution in der Zwischenzeit zum Meister-Tröster: Während Tiere „nur“ ihre engsten Freunde aufrichten, stehen Menschen manchmal auf ganz Fremden zur Seite: eine ganz neue Qualität des Mitgefühls.