Für Hunde sind Menschen, die ihre Koffer packen, das Grauen. Sie kleben an ihnen, um Eines zu verhindern: Allein die Stellung halten zu müssen
aus: DOGS 2/2017
Ich verreise gern mit meinen Hunden. Erstens, weil ich es schön finde, immer ein Stück „Zuhause“ dabei zu haben, und zweitens, weil ich der Psychoterror, den sie ausüben, wenn ich mal ohne sie weg muss, nur schwer erträglich ist.
Die herzzerreißenden Blicke, mit denen sie mich verfolgen, sobald ich meine Sachen packe, sind kaum auszuhalten. Ihre gesamte Körperhaltung gleicht einem wandelnden Vorwurf: Wozu willst du unsere Familie auseinanderreißen? Selbstverständlich legen sich meine Hunde schon beim Packen in jeden geöffneten Koffer, und sei es das Handgepäck – vielleicht, damit ich sie nicht vergesse (nur Gretel packte, als sie ein junger Hund war, ganz pragmatisch alle Sachen kurzerhand wieder aus). Selbst Nano, mein großer, langbeiniger Galgo, lässt sich mit vor Konzentration gerunzelter Stirn selbst im kleinsten Bordcase nieder, als würde er brüten. Ich habe bisher nicht ergründen können, ob meine Hunde durch das Plattlegen meiner Kleidung mehr Raum im Koffer schaffen wollen, oder durch sorgfältiges Verteilen ihrer Haare auf meinen Kleidungsstücken dafür sorgen wollen, dass ich sie auch in der Fremde nicht vergesse.
Sobald ich die Haustür öffne, stürzt sich Barthl, mein wirklich sehr kleiner Havanesermix, die Treppe im freien Flug hinunter, quetscht sich durch die kleinste Öffnung, rast in die Scheune und wartet ab, bis ich die Autotür öffne, um mein Gepäck unterzubringen. Mit einem Salto katapultiert er sich ins Innere des Wagens. Falls ich vergessen haben sollte, ihn mitzunehmen – er ist auf jeden Fall bereit.
Mit ihren albernen Trennungsschmerz-Aufführungen erreichen meine Hunde immerhin ein Ziel: Bei jeder Reise, die ansteht, überlege ich mir gut, ob es nicht auch eine andere Möglichkeit gibt, die Nötigungen vor jeder Reise zu vermeiden. Wenn irgend möglich, verreise ja durchaus gerne auch mit Hunden – obwohl ich noch nicht versucht habe, mit allen sieben gleichzeitig loszufahren. Wobei „Hab’ mein Wagen vollgeladen…“ sowieso das Motto aller Reisenden mit Hund ist, denn Hunde sind kein leichtes Gepäck. Da gilt es, ihre Betten einzupacken, Hundenäpfe, Handtücher (falls es unterwegs nass und/oder matschig wird), je nach Witterung Hundepullover und/ oder Mäntel, das ein oder andere Spielzeug, eine Decke, falls man ins Restaurant will, Hundeshampoo (Hunde lieben Souvenirs genau wie der Mensch), einen Erste-Hilfe-Kasten speziell für den Hund, Paletten oder schwere Säcke mit Hundefutter. Wenn der Mensch Glück hat, gibt es dann noch Platz für ein kleines Täschchen, in dem er Zahnbürste und eine Unterhose verstauen kann. Das muss reichen.
Dafür ist es ein Erlebnis, mit Hunden im Hotel unterzukommen, ihnen per „Learning by doing“ beizubringen, wie man Aufzug fährt, sich beim Tee am Kamin verhält und es toleriert, wenn der Portier sich den Koffer unter den Nagel reißt, ohne auch die Hunde vorher freundlich gefragt zu haben.
Aber das wirklich Schöne daran, mit Hunden zu verreisen, ist das Gefühl, das einen in einer fremden Stadt in Begleitung von Hunden überkommt: Man wird zum Nicht-Tourist. Man hat ein Stück Zuhause dabei. Man ist auch nicht zum Bummeln auf der Straße, sondern hat eine Mission – die Hunderunde. Mit Hund am Band wirkt man irgendwie dazugehöriger, man trifft andere Leute mit Hund, und wenn die sich verstehen, tauscht man sich gleich aus: Man hat schließlich etwas gemeinsam.
Jede Reise in ferne Länder hat in Begleitung eines Hundes etwas wundervoll Alltägliches. Sie machen uns zu Off-Road-Touristen. Selbst auf italienischen Pass-Straßen hat man wenig Aussicht auf schöne Aussicht, weil man sich gewöhnlich um den speienden Hund kümmern muss, dem die achtundzwanzigste Kurve durch die Bergwelt schlecht bekommt. Sehr oft haben der Hundebesitzer noch nie den Mailänder Dom von innen und auch den Palazzo Reale nur von außen gesehen – aber dafür fühlen sie sich in der Stadt wie zuhause, kennen alle Parks, die entspanntesten Straßencafés und die nettesten Menschen der Gegend – andere Hundebesitzer nämlich. Und diese Seite einer fremden Stadt kennt nun wirklich nicht jeder.