Verwöhnt oder nicht verwöhnt – das ist hier die Frage

bildvom 12.8.2012

Brief von Gretel
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Es zirkulieren böse Gerüchte, ich sei verwöhnt. Dagegen möchte ich mich in aller Form verwahren. Ich bin überhaupt nicht verwöhnt – es gibt für alles, was ich tue und wie ich es tue einen sehr guten Grund. Was manchen Leuten verwöhnt vorkommen mag, ist in Wirklichkeit nur Teil meines Charmes und erfrischend anders, wenn Ihr Euch nur mal die Zeit nehmen würdet, mich zu verstehen.
Viele der Dinge, die Euch „verwöhnt“ vorkommen, sind einfach gesunder Hundeverstand. Selbstverständlich liege ich lieber im kühlen Schlafzimmer, wenn es draußen heiß ist. Und natürlich schlafe ich lieber auf dem Sofa, wenn es kalt ist. Wärme steigt nach oben, das weißt Du doch – je höher man also liegt, desto wärmer ist es. Für andere der „verwöhnten“ Sachen kann ich sowieso nichts. Bitte ich vielleicht darum, ständig fotografiert zu werden? Ich bin ein Windhund, deshalb habe ich von Natur aus eine graziöse Haltung. Mit aktiv In-Pose-Werfen hat das nichts zu tun. Habe ich vielleicht um die zahlreichen weichen Hundebetten, die überall in der Wohnung liegen, gebeten? Ich wäre genauso zufrieden gewesen, jede Nacht auf Deinem Kissen zu schlafen. Das hätte irgendwann auch angefangen, nach mir zu riechen, himmlisch. Manche Dinge, die Du „verwöhnt“ nennst, sind in Wirklichkeit einfach gute Manieren. Ich war schon oft dabei, wenn Du jemand anderen besucht hast. Du bringst dann gewöhnlich Geschenke mit; sehr nett von Dir. Und nichts anderes erwarte auch ich, wenn Leute zu uns kommen. Deshalb habe ich mir neulich die Handtaschen Deiner Freundinnen genauer angesehen. Es ist schließlich der Gedanke, der zählt: Der Gedanke an eine Quietscheente, oder einen köstlichen Keks, oder irgendetwas, was sich gut kauen lässt. Meistens haben sie ja auch etwas in der Art in ihren Taschen und vergessen nur, es mir rechtzeitig zu geben. Bis auf die Blödiane, die neulich nur mit diesen Flaschen ankamen. Dann muss ich mich eben damit zufrieden geben, die Korken herauszumontieren.
Wenn Du mich mal mit menschlichen Teenagern vergleichst, bin ich SOWAS von un-verwöhnt. Ich schlage nie mit Türen oder lade mir sieben Freundinnen zum Übernachten ein, um dann die ganze Nacht zu kichern. Ich schalte beim Fernsehen auch nie ohne zu fragen einfach um, höchstens aus Versehen. Und ich beklage mich auch nie, außer Du zählst leises Gewinsel mit dazu, aber das verstehst Du falsch, Winseln ist etwas ganz Anderes, mehr ein Ausdruck für Befindlichkeit. Ich habe nicht einmal ein eigenes Telefon. Ich weiß! Unglaublich. Die Telefonnummer auf meiner Hundemarke an meinem Halsband ist gar nicht meine, wie ich erfahren habe, sondern Deine.
Gibst Du zu, dass ich kein bisschen verwöhnt bin? Schon gar nicht „schrecklich“? Ich finde, ich hätte eine Entschuldigung verdient. Und zwar jetzt gleich. Zwei Leberwurstkekse, und alles ist vergeben und vergessen.

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