Wer kann schon den genauen Zeitpunkt benennen, an dem man sich verliebt?
Ist es der Augenblick, wenn man ihn zum ersten Mal sieht: Winzig und hilflos in einem Haufen aus Geschwistern, Augen und Ohren noch geschlossen? Er könnte alles sein: Ein Meerschweinchen, eine Dogge, ein Podenco, ein Weimaraner oder Schäferhund. In diesen ersten Tagen nimmt die Natur es nicht so genau.
Diese unglaublich kleinen Ohren, die merkwürdigen Geräusche – eine Mischung aus Grunzen und Fiepen, außer, die Mutter verschwindet für längere Zeit: Dann macht das winzige Ding von kaum zweihundert Gramm erstaunlich viel Krach. Ein durchdringendes Jaulen, ein Geschrei, das alle Hunde alarmiert, selbst dann, wenn es nur virtuell zu hören ist, über ein Video auf einem Computer und Hunde längst gelernt haben, dass Hundegeräusche aus diesen Kisten gar nichts bedeuten. Nicht so bei diesem Schrei: Ein SOS, das Hunden durch Mark und Bein geht, das sich nicht ignorieren lässt. Schließlich geht es um fehlende Wärme, fehlende Milch, Alleinsein, um Leben und Tod also. Damit nimmt die Natur es von Anfang an sehr genau.
Verliebt man sich in dem Moment, in dem der Auserwählte sich aus dem Geschwisterhaufen absondert, sich entschließt, auf die Suche nach Abenteuern zu gehen, die – noch sehr kleine – Welt der Welpenkiste zu erforschen und zu erkunden, und wir zum ersten Mal seine offensichtlich unvergleichliche Intelligenz bewundern? Oder dann, wenn der Kleine nicht direkt uns, aber unsere Füße entdeckt und herantapst, noch etwas wackelig, aber mit einem klaren Ziel vor den Augen: Unsere Zehen?
Oder ist es der Geruch, der ganz anders ist als der von erwachsenen Hunden, irgendwie sanfter und gleichzeitig schärfer aus dem Mäulchen, in das noch immer vor allem Milch fließt – nur ein wenig Kinderbrei aus Hackfleisch und Haferflocken dazu, was man vor allem an den kleinen Pfoten riechen kann?
Manche brauchen nicht einmal das lebendige Objekt, nicht diese dichte, beinahe glühende Wärme des kleinen Kinderkörpers, um sich zu verlieben. Ihnen reicht schon ein Foto von einem kleinen Hündchen mit puscheligem Fell, großen, feuchten Augen und weichen, rosa Pfoten (macht auch Sinn: Für irgendjemanden müssen Internet-Partnerbörsen ja erfunden worden sein). Und dann nichts wie los.
Und dann steht man vor diesem Haufen kleiner, grundsätzlich etwas gelangweilter Hündchen, der sein Glück nicht fassen kann, dass da jemand mit zwei Beinen steht, mit Hosenbeinen, an denen man zerren kann, Schnürsenkeln, die sich abkauen lassen, oder nackten Beinen, die seltsam wunderbar nach Salz und Köperlotion schmecken.
Und dann hat man ihn auf dem Arm, und das Leben ist nie wieder so, wie es vorher einmal war.