Mir geht das ein bisschen zu schnell mit den Jahreszeiten. An Ostern haben wir noch Feuer im Kachelofen gemacht und aus Schlechtwettergründen die Ostereier im Wohnzimmer versteckt, weil wir zu faul waren, die Kinder in ihre Schneeanzüge packen, Mützen und Schals anzuziehen und die Handschuhe zu suchen. Eine Woche später mähe ich bei 25 Grad den Rasen und wässere die Beete. Heute morgen waren wir spazieren, und Rapunzel musste auf dem Heimweg ermattet im Gras Pause machen, weil sie es zu warm fand, während Toni, ein Gast- Boston Terrier, unüberhörbar ein Vollbad in einer Ackerfurche nahm, weil sie gerade so günstig lag: Vom Winter direkt in den Frühsommer.
Damit ist die „staade Zeit“ vorbei. Die Traktoren fahren wieder, es weht ein Lüftchen, das die Hunde dazu verführt, sich auf den Wiesen zu wälzen, weil dort Gülle ausgefahren wurde, dass es nur so spritzte. Außer Barthl und Pixel stehen meine Hunde gewissermaßen über diesen Düften – nur die beiden Neuzugänge Henry und Alfie befinden sich in einer Art olfaktorischem Rausch: So etwas Wundervolles haben sie ja noch nie gerochen, strahlen sie, bevor sie sich sozusagen per Köpfer in die Wiese stürzen. Die Badesaison ist also in mehr als einer Hinsicht eröffnet:( .
Apropos – ich habe immer noch zwei Collies. Oder eher schon wieder: Irgendwie geben sich die Collies hier neuerdings die Klinke in die Hand. Die kugelrunde und sehr gesprächige Sunny, die ich aus sub-optimalen Verhältnissen geholt hatte, zog am 17. März mit sehenswerter Bikinifigur zu Karin Petra Freiling, wo es ihr wundervoll geht.
Sunny, die identisch aussieht wie Karins verstorbener Sheltie (nur etwas größer) liebt Karins andere Hunde, die Schweinchen, die Hühner – und vor allem Karin. Nun bekommt sie andauernd TTouches, Massagen, sensationelles Futter und macht sich bei Karins Seminaren nützlich, indem sie den Kursteilnehmern Körperkontakt und Kuscheleinheiten erlaubt.
Kurz nach ihrer Ankunft bei Karin wurde Sunny allerdings massiv scheinschwanger,so dass wir fast überzeugt waren, sie sei trächtig: Sie baute Nester, hatte richtige Wehen und jetzt mittlerweile so viel Milch, dass man einen ganzen Collie-Kindergarten davon ernähren könnte. Sobald sich das gelegt hat, muss sie kastriert werden: Gesund ist so ein Hormontheater nicht. Aber sie ist trotzdem fröhlich, ihr Fell sieht fantastisch aus, und weil sie so fabelhaft Gewicht verloren hat, bewegt sie sich ganz anders und wirkt Jahre jünger.
Zwei Tage vorher zog Alfie hier ein, direkt aus Kroatien. Er ist ein etwa zweijähriger tricolor-Collie, dessen ehemalige Besitzer offenbar nett gewesen sein müssen, denn er ist offen, fröhlich, verspielt und selbstbewusst – jedenfalls bis selbige Besitzer ihn plötzlich sofort loswerden und sogar einschläfern lassen wollten, falls sich nicht auf der Stelle eine andere Möglichkeit auftun würde. Die gleiche Tierschützerin, von der schon Henry kam, übernahm ihn und fragte mich, ob ich ihn nicht aufnehmen könne, denn in Kroatien lassen sich Collies aus ungeahnten Gründen nur schlecht vermitteln.
Na. Was soll ich sagen. „Nein“ gehört nicht zu meinen geläufigen Vokabeln, schon gar nicht, wenn irgendwer oder irgendein Hund Hilfe braucht.
Alfie hat einen ähnlichen Sinn für Humor wie Barth – er ist nur collietypisch gehorsamer (Gott sei Dank. Zwei von der Sorte, und ich würde mir die Kugel geben). Und natürlich musste auch er erst einmal saniert werden – auch er hatte einen Mundgeruch, der einen stark an den Atem des Todes erinnerte, wenn man mal ganz ungeniert angehechelt wurde. Nach der bei mir mittlerweile obligatorischen Darmkur und dem bei uns üblichen Nassfutter wurde alles im Nullkommanix gut – nun glänzt sein Fell wie das eines Showhundes, und sein Atem ist frisch und weich.
Henry und Alfie hatten anfangs kleine Schwierigkeiten miteinander – beide waren ziemlich futterneidisch, und Henry fand ganz grundsätzlich, ich solle keinen Collie neben ihm haben. Den Futterneid haben wir behoben – wir füttern wieder genau so entspannt und ruhig wie vorher, ohne Collies -, und Henry hat inzwischen auch eingesehen, dass es durchaus lustig sein kann, einen Bruder im Geiste an der Seite zu haben. Ich selbst musste mich ein- und umstellen auf „Collie“ statt „Windhund“, denn sie sind ganz anders. Man hat plötzlich immer einen Hund zu Füßen, selbst im Bad (Windhunde sind ja eher nicht so der „IchliegedirzuFüßen“-Typ, außer zu meinen Füßen liegt zufällig ein weiches kuscheliges Bett).
Es geht verhältnismäßig leicht, Collies „hochzufahren“, wodurch sie entweder zickig werden (Alfie), oder in eine Art Jagdverhalten fallen (Henry). Will heißen: Ballspiele (mit Jack) auf Spaziergängen dürfen – wenn überhaupt – nur kurz stattfinden und am besten am Ende des Spaziergangs, sonst geht man mit einer ziemlich überdrehten Truppe spazieren, die keine Katze und keinen Vogel in Ruhe lassen wollen. Gleichzeitig passen die Collies und die Windhunde wirklich gut zueinander.
Rapunzel liebt die Collies, und auch Nano ist von beiden Jungs ganz entzückt, weil sie ihn respektieren und die Rennspiele sehr „anständig“ vonstatten gehen (während z.B. Aslan dazu neigt, zu grob zu werden und man die Rennspiele immer gut im Auge behalten muss). Außerdem färbt die Art des Collie-Gehorsams auf die anderen Hunde ab: Außer Barthl sind alle ganz beeindruckt von der Collieart, bei den Spaziergängen dauernd zu mir zurückzukehren. Die Windhunde (jedenfalls meine) neigen ja eher dazu, schnurgerade vor sich hin zu traben, ohne Energieverschwendung durch überflüssige Kontaktaufnahme mit dem Menschen. Jetzt plötzlich sehen sie viel öfter zu mir – sehr interessant. Die Windhunde haben offenbar ihren Inneren Hütehund entdeckt. Aufpassen muss ich nur, dass die Collies wiederum nicht ihren Inneren Barthl entdecken, denn er findet nichts toller, als plötzlich und ohne Grund über den Acker zu rasen, als habe er am Horizont etwas Wichtiges gesehen – nur, damit die anderen ihm folgen, der kleine Mistsack.
Tatsächlich scheine ich einen Hang zu Tieren mit Persönlichkeitsstörung zu haben (früher begrenzte sich dieser Hang auf die Männer, die ich mir aussuchte). Barthl hält sich für einen Irischen Wolfshund, Rapunzel denkt, sie wäre ein winzig kleiner Havaneser. Meine Hühner scheinen mittlerweile auch mehrheitlich der Ansicht zu sein, sie seien Adler oder Raubvögel. Mein Mischlingshuhn kann nicht gackern, es stößt einen seltsamen Schrei aus, der wie ein Mini-Pfau kling. Die wirklich sehr niedlichen Küken vom Februar sind mittlerweile echte Pubertiere und watscheln immer im Vierer-Trupp wie eine Straßen-Gang durch den Staketenzaun.
Anfangs blieben sie ganz nah am Zaun, liefen vor meine Haustür oder an der Weide vom Nachbarsepp auf und ab und suchten nach Regenwürmern und Käfern und jungen Trieben, oder wonach man als Junghuhn sonst so sucht. Aber mittlerweile laufen sie mit ihre dicken Seidenhuhn – Wuschelpopo, zur Weide von Sepps Kaltblütern. Es sind drei ziemlich schwere Noriker, die Sepp aus reiner Liebe hält, die nichts zu tun haben und sich eigentlich den ganzen Tag ziemlich langweilen.
Schon den erweiterten Hühnerauslauf nahmen sie als willkommenen Anlass, beunruhigt zu schnauben und zu prusten und sich vor den Zwergseidenhühnern sehr zu grausen – und nun marschierten die vier Pubertiere mit buchstäblich dicker Hose vor ihren Augen auf die Weide, um sich über eine Territoriumsvergößerung zu informieren oder nach Fressbarem zu suchen. Nicht einmal hab so groß wie die Hufe der drei Pferde sind sie,aber bei ihrem Anblick rissen die Pferde die Köpfe noch und donnerten davon, in die hinterste Ecke ihrer 3 Hektar großen Weide: Die Küken waren begeistert. So eine Reaktion hatten sie noch nie erlebt (natürlich hatten sie es fünf Sekunden später auch schon wieder vergessen, aber bis dahin fühlten sie sich ganz groß). Barthl hat sich mittlerweile an die Hühner gewöhnt und lässt sie in Ruhe, nachdem wir zwei eine fürchterliche Auseinandersetzung hatten, bei der ein junger Hahn dran glauben musste. Die vier Pubertisten haben trotz Freiheitsdrang nichts mehr von ihm zu befürchten – sollte er sie draußen treffen, geht er mit angewidertem Gesichtsausdruck an ihnen vorbei und tut so, als wären sie nicht da – als hätten sie etwas besonders Unerhörtes zu ihm gesagt. Die neuen Küken behält er scharf im Auge, ob sie sich ähnlich unangenehm entwickeln wie die aus dem Februar, aber inzwischen scheint er sich doch mehr für Hühnerkacke zu interessieren, als deren Verursacher.
Das Leben auf dem Land ist also auch nicht so viel entspannender für Hunde – es kommt einem häufig nur so vor, oder es wirkt auf uns „natürlicher“. Die „Probleme“ sind nur andere Probleme. Muss man sich in der Stadt mit Menschenkot und Grillabfällen im frühlingshaften Park auseinandersetzen, ist es hier die Gülle. Hat man in der Stadt mit hysterischen Müttern zu kämpfen, sind es auf dem Land die Rehe, die immer genau dann aus der Deckung kommen, wenn man mit einer Horde jagdlich interessierter Hunde vorbei spaziert. Will sagen: Grenzen, Regeln und Verbote muss man überall beachten oder selbst setzen, und je mehr Hunde, desto mehr Regeln braucht man (ist eben etwas anderes, wenn man zwei Kinder hat, oder ein ganzes Kinderheim führt). Ich bin mittlerweile ein wandelndes Regelwerk. Und es sieht so aus, als würde ich zu den Leuten gehören, die sich, sobald sie keine „Probleme“ mehr zu lösen hat, gleich neue ins Haus holt. Anders kann ich mir die Zahl meiner Hunde und Haustiere im Allgemeinen nicht erklären.