aus:
Kleine Hunde sind anders. Sie sind nicht einfach nur die Verkleinerung eines „normalgroßen“, sagen wir mal: mittelgroßen Hundes. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind kleine Hunde geschäftiger, aufgeweckter, aufgeregter, lauter, größenwahnsinniger, beratungsresistenter und insgesamt wilder als „normalgroße“ Hunde.
Ich hatte immer große und kleine Hunde, meistens gleichzeitig. Jetzt habe ich den Barthl. Der ist noch „anderster“ als die anderen. Barthl ist ein elf Monate alter, dunkelroter Havaneser-Yorkshire-Mischling aus einer Animal-Hoarding-Situation, aber das hat seiner Unbescheidenheit keinen Abbruch getan. Vielleicht sogar gefördert: Wenn man einer von 100 ist, muss man eine gewaltige Persönlichkeit entwickeln, um nicht übersehen zu werden.
Kleine Hunde haben eine andere Wahrnehmung. Sie haben kein Gefühl dafür, dass sie so klein sind. Barthl hält sich für einen Irischen Wolfshund. Dass der Spiegel ihm etwas anderes sagt liegt daran, dass der Spiegel einfach nicht groß genug ist und seine Beine abschneidet. Wenn kleine Männer einen Napoleon-Komplex haben, dann ist Barthl eine Mischung aus Sarkozy und Mick Jagger: Klein, laut und nicht zu bremsen. Er hat zu allem etwas zu sagen, zu allem eine Meinung, und hält sich grundsätzlich für ein echtes Geschenk. Für alle.
[amazon_link asins=’3886278646,3741275778,3886278522′ template=’ProductGrid-Lumpi4′ store=’lumpi4-21′ marketplace=’DE‘ link_id=“]Ich lebe in einem kleinen Weiler, der aus vier Höfen besteht und „Mini-Berg“ genannt wird. Im Umkreis von 25 Kilometern kennt uns hier jeder. Meinen Namen nicht, aber jeder weiß den Namen von Barthl. „Ah, der Capo vom Miniberg!“ meinte neulich ein fremder Traktorfahrer, dem Barthl sagen wollte, wo’s langgeht. Er, der so groß ist wie ein IKEA-Stofffußball, scheucht die Kaltblüter auf der Weide nebenan auseinander, wenn sie sich kabbeln und marschiert in den nachbarlichen Bullenstall, als habe er ihn gekauft. Neulich raste er mit seinem Freund, einem schwarzen Labrador, der ihm kaum folgen konnte, wie ein aufgezogener Spielzeughase über die Plane des Silos vom Nachbarhof – es sah aus, als habe er einen Gletscher erklommen. Die Bauern betrachteten ihn anerkennend: „Des wär’ a echte Tierquälerei, wenn der in der Stadt leben müsst’!“ fanden sie.
Auf einem anderen Hof in der Nähe spielte er mit den Enkeln, die wild sind wie er. Bis ihm langweilig wurde: Erst nahm er den Komposthaufen auseinander, dann rupfte er dem Hahn alle Schwanzfedern aus und brachte sie stolz zu mir. Er sah, zugegeben, sehr komisch aus: Trotzdem hätte das die nachbarschaftlichen Beziehungen empfindlich beeinträchtigen können, wenn er nicht so einen Charme hätte- und die Nachbarn nicht so viel Humor. Weil er so klein ist und so süß, wird ihm alles verziehen, dem Höllenhund.
Die Hahnenfedern waren dabei nur das Ende in der Schneise seiner Zerstörungen: Jeder Schuh ist angekaut, jeder Fitzel Papier geschreddert. Er hat zwei Brillen komplett mit Bügeln und Gläsern verspeist, öffnet alle Handtaschen, sitzt mit völliger Selbstverständlichkeit mitten auf dem Tisch, wenn man nach Hause kommt und hat im ganzen Haus zweimal einen Stromausfall verursacht, weil er Kabel angefressen hatte – wie erst der spürsinnige Elektriker herausfand.
Er ist natürlich nicht „böse“ oder außer Rand und Band. Er hat in seinem kleinen runden Kopf nur mehr Einfälle, als irgendwer zählen kann. Barthl braucht nur sehr wenig Schlaf und nimmt in der Zwischenzeit alles zwischen die Zähne – bis man ihm sagt, dass er das nicht darf. So ordentlich kann’s gar nicht sein, dass da nichts auf der Strecke bleibt.
Sechs Windhunde sind nicht so anstrengend wie ein Barthl. Wenn er nicht so niedlich und so unglaublich komisch wäre, hätte ich ihn längst mit einem Bindfaden an einer Raststätte angebunden. Dann wiederum denke ich mir: Vielleicht ist ein Löwenherz, ein unbestechlicher Wille und ein großartiger Sinn für Vergnügen gerade das, was mir noch gefehlt hat.
Und er ist hinreißend, wenn er schläft.
Michl wäre wohl auch ein passender Name für ihn gewesen. Ob er wohl schnitzen kann?